Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuchtmittel. Erziehungsmaßregel. Beschränkung. Berufung. Unzulässigkeit. Teilrücknahme. Rechtsmittel
Leitsatz (amtlich)
Eine Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht etwa aufgrund der Regelung des § 55 Abs.1 JGG unzulässig. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Wird ein Rechtsmittel entgegen § 55 Abs. 1 JGG (wirksam) beschränkt, so führt dies zu seiner Unzulässigkeit.
Normenkette
JGG § 55; StPO §§ 322, 318
Verfahrensgang
LG Siegen (Aktenzeichen 61 Ns 3/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
Gründe
I.
Der Jugendrichter beim Amtsgericht Bad Berleburg hat mit Urteil vom 01.04.2014 gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung einen Dauerarrest von zwei Wochen verhängt, ihm aufgegebenm, eine Geldbuße von 900 Euro in monatlichen Raten von 50 Euro zu zahlen und ihn angewiesen, für die Dauer von 18 Monaten eine bestimmte Gaststätte (Tatort) nicht zu betreten. Mit am 03.03.2014 beim Amtsgericht eingegangenem Verteidigerschriftsatz hat der Angeklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Nachdem dem Angeklagten das Urteil am 24.04.2014 zugestellt worden war, hat er mit Verteidigerschriftsatz vom 24.07.2014 sein Rechtsmittel "auf das Strafmaß beschränkt". Als Ziel seines Rechtsmittels gab er an, er wolle aus Angst um eine Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses eine freiheitsentziehende Maßnahme vermeiden.
Daraufhin hat ihm das Berufungsgericht den Hinweis erteilt, dass das Rechtsmittel unzulässig sei, weil nach § 55 Abs. 1 JGG ein Urteil, in dem lediglich Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel angeordnet worden seien, nicht wegen des Umfangs dieser Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden könne, weil andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen.
Mit Verteidigerschriftsatz vom 20.08.2014 hat der Angeklagte ausgeführt, er halte die Berufungsbeschränkung in Ansehung des § 55 Abs. 1 JGG für unwirksam. Die Berufung werde darauf gestützt, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen falsch beurteilt worden und die verhängte Sanktion rechtswidrig sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde, deren Verwerfung als unbegründet die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt hat.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Angeklagten ist unbegründet.
Die kleine Strafkammer hat die Berufung des Angeklagten zu Recht als unzulässig nach § 322 StPO verworfen. Das Rechtsmittel ist nach § 55 Abs. 1 JGG unstatthaft. Mit dem amtsgerichtlichen Urteil sind gegen den Angeklagten lediglich Erziehungsmaßregeln (Betretungsverbot nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 JGG) und Zuchtmittel (Zahlungsauflage nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 JGG, Jugendarrest nach § 16 JGG) verhängt worden.
Eine solche Entscheidung kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen (§ 55 Abs. 1 JGG). Gerade dies hat der Angeklagte aber infolge seiner Berufungsbeschränkung getan. Da dies im Schriftsatz vom 24.07.2014 (auch) nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist des § 317 StPO erfolgt ist, handelt es sich in jedem Falle um eine Teilrücknahme der ursprünglich unbeschränkt eingelegten Berufung. Der Streit, ob eine Einschränkung des Rechtsmittels in noch laufender Berufungsbegründungsfrist nach § 317 StPO nur eine Konkretisierung darstellt oder ob jede Einschränkung nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist des § 314 StPO schon eine Teilrücknahme ist (vgl. dazu: OLG Hamm, Beschl. v. 12.02.2008 - 3 Ss 514/07 - [...] m.w.N.; Eschelbach in: Graf, StPO, 2. Aufl., § 318 Rdn. 6), kann daher dahinstehen.
Die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung muss sich daher vorliegend an den Regelungen zur (Teil-) Rücknahme eines Rechtsmittels messen lassen. Insoweit ist festzustellen, dass es sich bei dem Rechtsfolgenausspruch um einen abtrennbaren Beschwerdepunkt handelt und die erforderliche Form (für die Rücknahme gelten dieselben Formerfordernisse wie für die Einlegung des Rechtsmittels, vgl. Eschelbach a.a.O., Rdn. 9; Gössel in: LR-StPO, 26. Aufl., § 318 Rdn. 15 m.w.N.) durch den Verteidigerschriftsatz gewahrt worden ist. Auch war der Verteidiger des Angeklagten zur Teilrücknahme des Rechtsmittels ausdrücklich ermächtigt i.S.v. § 302 Abs. 2 StPO. Insoweit reicht nicht die allgemeine Verteidigervollmacht (es sei denn, die Mandatierung erfolgte allein zum Zweck der Durchführung des Rechtsmittels), sondern die Ermächtigung zur (Teil-) Rücknahme muss sich auf ein konkretes Rechtsmittel beziehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 302 Rdn. 32 m.w.N.). Diese Ermächtigung ist formlos, also auch mündlich möglich. Ihr Nachweis kann auch noch nach Abgabe der Erklärung erfolgen (OLG Hamm a.a.O.). Schon die Abfassung des Schriftsatzes ...