Leitsatz (amtlich)
Schulden und Verbindlichkeiten der Eheleute sind ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder einen vorhandenen Gegenwert beim Verfahrenswert für Scheidung und Versorgungsausgleich unbeachtlich.
Verfahrensgang
AG Schwerte (Aktenzeichen 3 F 34/16) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwerte vom 8.8.2017 wird abgeändert und der Verfahrenswert auf 35.352,21 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Durch Beschluss vom 20.6.2017 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Schwerte die Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden.
Zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Scheidungsantrages lag das monatliche Nettoeinkommen der Antragstellerin bei 7.864,67 EUR und das des Antragsgegners bei 1.200,- EUR. Der Antragstellerin verbleiben nach den Abzügen der Zahlungen gemäß dem Insolvenzplan monatlich 2.241,16 EUR. Bei der Wertberechnung für die Folgesache Versorgungsausgleich sind drei Anrechte der beteiligten Ehegatten zu berücksichtigen.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 8.8.2017 den Verfahrenswert auf 13.420,52 EUR [= (2.241,16 EUR + 1.200 EUR) × 3 × 1,3] festgesetzt. Gegen die Wertfestsetzung wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit der Beschwerde. Er macht geltend, das Familiengericht habe zu Unrecht das um die Pfändungen bereinigte Einkommen der Antragstellerin berücksichtigt. Der Verfahrenswert sei auf 35.352,23 EUR [= (7.864,67 EUR + 1.200 EUR) × 3 × 1,3] festzusetzen.
Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt. Er ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG beschwerdeberechtigt. Der Beschwerdewert von mehr als 200 EUR gemäß § 59 Abs. 1 Satz FamGKG ist erreicht.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Wert für das Scheidungsverfahren ist auf 27.194,01 EUR festzusetzen.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist in Ehesachen der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen, § 43 Abs. 2 FamGKG.
Wie Schulden und Verbindlichkeiten der Eheleute bei der Festsetzung des Verfahrenswertes zu berücksichtigen sind, ist streitig. Diese werden teilweise pauschal (z.B. OLG Bamberg JurBüro 1983, 1539), nur bei beträchtlichen Werten (OLG Düsseldorf AnwBl. 1986, 250) oder nur bei nachhaltiger Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse (z.B. OLG Hamburg FamRZ 2003, 1681) berücksichtigt. Andere berücksichtigen Verbindlichkeiten stets (z.B. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1135) oder nie (z.B. Thiel in: Schneider/Herget Streitwertkommentar 14. Auflage 2016, Rn. 7131).
Der Senat ist der Auffassung, dass Schulden ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder auf einen vorhandenen Gegenwert beim Verfahrenswert unberücksichtigt zu bleiben haben, um das Wertfestsetzungsverfahren praktikabel handhaben zu können. Dieses Verfahren soll möglichst unkompliziert und zügig ablaufen. Es soll gerade nicht mit der Aufklärung von Verbindlichkeiten nach Art und Höhe belastet werden. Die Verfahrenswertsetzung soll möglichst pauschalisiert erfolgen.
Der Wert für die Folgesache über den Versorgungsausgleich ist auf 8.158,20 EUR festzusetzen.
Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG beträgt in Versorgungsausgleichssachen der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 %, bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Ist der Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, § 50 Abs. 3 FamGKG. Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Bemessung des Verfahrenswerts in Versorgungsausgleichssachen übersichtlich und einfacher gestaltet sein, als es für die Ehesachen der Fall ist. Deshalb hat der Gesetzgeber nur die Einkommens-, nicht aber die Vermögensverhältnisse zur Bewertung herangezogen. Daher ist das Nettoeinkommen i.S. des § 50 FamGKG aus dem Erwerbseinkommen ohne Berücksichtigung individueller Zu- und Abschläge zu bestimmen (OLG Stuttgart FamRZ 2010, 2098).
Insgesamt ergibt sich ein Verfahrenswert in festgesetzter Höhe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Dem Senat ist es ungeachtet des Umstands, dass viele Streitfragen im Zusammenhang mit der Festsetzung des Verfahrenswertes für das Ehescheidungsverfahren, insbesondere auch die Berücksichtigung von Vermögenswerten, in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt sind, verwehrt, die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG.
Fundstellen
FamRZ 2018, 525 |
JurBüro 2018, 85 |
MDR 201... |