Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 8 O 307/16) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 03.05.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster (08 O 307/16) wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Der vorliegende Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für die Berufung des Beklagten auf 13.139,36 festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls.
Am 00.02.2008 kam es auf der Kreisstraße 0 in A zu einem schweren Verkehrsunfall zwischen dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen01 der Halterin B, welcher bei dem Beklagten pflichtversichert war und von der Mutter der Klägerin geführt wurde, und dem Lkw der Firma C aus A mit dem amtlichen Kennzeichen02, der von dem D geführt wurde und für den ebenfalls bei dem Beklagten eine Pflichtversicherung bestand. Der Unfall wurde dadurch verursacht, dass die Mutter der Klägerin den von ihr geführten Pkw plötzlich stark abbremste, worauf hin dieser ins Schleudern geriet und gegen den Lkw prallte.
Bei dem Unfall wurde die damals auf dem Beifahrersitz des Pkw sitzende 10-jährige Klägerin schwer verletzt. Sie erlitt ein schweres Schädelhirntrauma mit multiplen intracerebralen Hirnkontusionen, welches zu einer dauerhaften körperlichen und geistigen Behinderung der Klägerin führte. Bei der Klägerin bestehen infolge des Unfalls ein organisches Psychosyndrom mit ausgeprägten kognitiven Störungen und fehlender sprachlicher Kommunikationsfähigkeit sowie eine hohe motorische Beschränkung mit der Unfähigkeit des freien Stehens und des selbständigen Gehens. Die Klägerin ist auf den Rollstuhl angewiesen und bedarf umfassender Betreuung und Beaufsichtigung.
Für die Klägerin wurde Rechtsanwältin E aus F zur Ergänzungsbetreuerin bestellt.
Nach dem Unfall befand sich die Klägerin über ein Jahr lang durchgehend in stationärer Behandlung. Im April 2009 kehrte sie ins Elternhaus zurück und wird seitdem dort von ihren Eltern gepflegt. Pflegedienste werden nicht in Anspruch genommen. Die Klägerin besuchte von Mai 2009 bis Juli 2015 vormittags die Gschule in H, eine integrative Schule für Kinder mit körperlichen und motorischen Entwicklungsstörungen. Seit August 2015 ist die Klägerin halbtags in den Werkstätten für Behinderte des I in F tätig.
Die Einstandspflicht des Beklagten für die Unfallfolgen ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Der Beklagte hat durch Erklärung vom 18.03.2011 gegenüber der Klägerin seine Leistungspflicht dem Grunde nach anerkannt.
Die Klägerin nahm den Beklagten daraufhin in dem Rechtsstreit 15 O 163/13 vor dem Landgericht Münster auf Zahlung von Pflegemehrbedarf für den Zeitraum von Februar 2008 bis Oktober 2013 in Anspruch. Das Landgericht holte ein Sachverständigengutachten des J zum Umfang des Pflegemehrbedarfs ein und unterbreitete den Parteien auf der Grundlage dieses Gutachtens im September 2015 einen umfassenden Vergleichsvorschlag. Die Parteien nahmen diesen Vergleich im Dezember 2015 an.
Vorliegend begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung von Pflegemehrbedarf für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 31.10.2016. Sie forderte den Beklagten durch Schreiben vom 22.04.2016 unter genauer Darlegung des im Einzelnen erforderlichen Betreuungsaufwands zur Zahlung eines Betrages von 101.409,06 EUR unter Fristsetzung zum 17.05.2016 auf. Der Beklagte entgegnete, nach seiner Auffassung seien sog. Sowieso-Zeiten in Abzug zu bringen, die Berechnung der Klägerin sei daher zu korrigieren und der Pflegebedarf sei durch einen Sachverständigen zu ermitteln. Gleichzeitig leistete der Beklagte unter Vorbehalt einen Vorschuss von 70.000 EUR.
Die Pflegeversicherung erbrachte für die Klägerin zunächst bis April 2011 Leistungen nach der Pflegestufe 3 und seit Mai 2011 Leistungen nach der Pflegestufe 2. Für den hier in Rede stehenden Zeitraum von November 2013 bis Oktober 2016 erhielt die Klägerin von der Pflegeversicherung Pflegeleistungen in Höhe von insgesamt 16.104 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe aufgrund der unfallbedingten Verletzungen auch während des streitgegenständlichen Zeitraums nach wie vor rund um die Uhr einer Betreuung und Beaufsichtigung bedurft. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, es seien seit ihrer im April 2015 eingetretenen Volljährigkeit und seit ihrer im August 2015 aufgenommenen Berufstätigkeit keine Abzüge mehr für Sowieso-Zeiten von täglich 7 Stunden, die Eltern durchschnittlich für die Betreuung gesunder Kinder ebenfalls aufwenden, in Abzug zu bringen, weil ein altersentsprechender Betreuungsaufwand gesunder Kinder mit Eintritt in das Erwachsenenleben und der Aufnahme einer Berufstätigkeit nicht mehr bestehe.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte könne die von der Pflegeversicherung geleisteten Zahlungen nicht in Abzug bringen, weil zu Gunsten der Klägerin das Angehörigenprivileg des § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X Anwendung finde. Aufgrund des An...