Leitsatz (amtlich)

Einem medizinisch oder psychologisch zu begutachtenden Beteiligten ist bei einem Untersuchungstermin bzw. Explorationsgespräch des Sachverständigen die Anwesenheit einer Begleitperson ohne Äußerungs- bzw. Beteiligungsrecht zu gestatten (Anschluss an OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1441; LSG Rheinland-Pfalz NJW 2006, 1547).

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Vaters und Antragsgegners (Prof. Dr. C2) gegen die Sachverständige Dipl.-Psych. I wird für unbegründet erklärt.

Die Sachverständige wird gem. § 404a Abs. 1 ZPO angewiesen, bei den mit dem Antragsgegner durchzuführenden Explorationsgesprächen die Anwesenheit einer von ihm mitgebrachten, sich an den Gesprächen nicht beteiligenden Begleitperson in angemessener Hörweite zuzulassen.

Der Hilfsantrag, die Sachverständige zu entpflichten und einen anderen Sachverständigen zu bestellen, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Zugrunde liegt eine Beschwerde des Antragsgegners und Vaters gegen eine amtsgerichtliche Umgangsregelung. Der Senat hat Anhörungstermin anberaumt und dazu die psychologische Sachverständige, die in erster Instanz ein schriftliches Gutachten erstattet hatte, zur mündlichen Erläuterung und Ergänzung geladen. Zur Terminsvorbereitung hat die Sachverständige den Antragsgegner zu Explorationsgesprächen einbestellt. Der Antragsgegner wollte diese nur wahrnehmen, wenn ihm das Mitbringen einer Begleitperson gestattet oder Tonaufzeichnungen des Gespräches vorgenommen würden. Er hat zur Begründung angeführt, im erstinstanzlichen Verfahren sei eine Befangenheitsablehnung derselben Sachverständigen daran gescheitert, dass er eine von ihm behauptete unsachliche Äußerung der Sachverständigen nicht habe nachweisen können. Nachdem die Sachverständige die Anwesenheit einer Begleitperson und die Anfertigung einer Tonaufnahme verweigerte, lehnte der Antragsgegner sie erneut als befangen ab und beantragte hilfsweise ihre Ablösung durch einen anderen Sachverständigen.

Das Ablehnungsgesuch sowie der Hilfsantrag auf Entpflichtung der Sachverständigen hatten keinen Erfolg. Der Senat hat jedoch die Sachverständige angewiesen, die Anwesenheit einer sich an den Gesprächen nicht beteiligenden Begleitperson zu gestatten.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Ablehnungsgesuch ist gem. § 406 ZPO i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 6 Abs. 1 S. 1 FamFG zulässig, in der Sache aber nicht gerechtfertigt. Gründe, die geeignet sind, objektiv oder bei einer vernünftigen Betrachtung aus Beteiligtensicht Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Sachverständigen zu rechtfertigen (vgl. § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 6 Abs. 1 S. 1 FamFG), liegen nicht vor.

Der Antragsgegner begründet sein Ablehnungsgesuch damit, dass die Sachverständige eine Begleitung der Explorationsgespräche durch einen Beistand und/oder eine Tonaufzeichnung der Gespräche verweigert habe. Bedenken gegen die Unparteilichkeit der Sachverständigen können daraus jedoch nicht hergeleitet werden. Denn eine eindeutige Rechtslage im Sinne einer gefestigten oder gar höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein psychologisch oder auch medizinisch zu Begutachtender eine Begleitung durch einen Beistand oder eine Tonaufzeichnung beanspruchen könne, existiert bisher nicht. Soweit ersichtlich, ist bisher erst durch zwei obergerichtliche Entscheidungen, die auch vom Antragsgegner zitiert worden sind (OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1441; LSG Rheinland-Pfalz NJW 2006, 1547), ein Anspruch auf Anwesenheit einer Begleitperson anerkannt worden. Die weiter zitierten Entscheidungen der OLG Düsseldorf und München betreffen dagegen bautechnische Gutachten, bei denen die Befugnis zur Hinzuziehung einer fachkundigen Begleitperson zu Ortsterminen ohnehin bereits allgemein anerkannt ist. Ferner hat die Sachverständige für ihre Weigerung eine Begründung angeführt, die erkennen lässt, dass es sich um ihre auf nachvollziehbare Gesichtspunkte gestützte fachliche Auffassung handelt, und nicht um eine bewusste Missachtung eines eindeutigen Verfahrensrechts eines Beteiligten.

2. In der Sache schließt sich der Senat allerdings den beiden oben zitierten Entscheidungen an. Ausschlaggebend ist dabei vor allem der Gesichtspunkt, dass ein medizinisch oder psychologisch zu begutachtender Beteiligter ansonsten keine Möglichkeit hätte, gegenüber abstrakt immer denkbaren Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Behauptet er nach Vorliegen des Gutachtens, der dort wiedergegebene Hergang einer Untersuchung oder eines Explorationsgesprächs sei in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend, so wird sich der Sachverständige in der Regel darauf berufen, den Hergang nach seiner Überzeugung und Erinnerung richtig aufgezeichnet zu haben. Wenn die Unrichtigkeit der Wiedergabe dann nicht ausnahmsweise durch objektive Anhaltspunkte gestützt wird, hat der Beteiligte keine Möglichkeit, sie zu belegen und sich damit erfolgreich gegen ein ihm nachteiliges Gutachtenergebnis zu wenden. Die Hinzuziehung einer Begleitperson hingegen erlaubt es ihm in diesem Fall, mit...

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