Leitsatz (amtlich)
Ab Blutalkoholkonzentrationswerten von 2,00 o/oo ist in den Urteilsgründen die Frage der verminderten Schuldfähigkeit stets zu erörtern.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 05.10.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision einschließlich der Nebenklage, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 6. Juni 2005 wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Ferner wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen. Die Straßenverkehrsbehörde wurde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat die V. kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld durch das angefochtene Urteil vom 05.10.2005 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 3. Juni 2004 - Az.: 844 Cs 369 Js 50275/03 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt worden ist. Seine Berufung hatte der Angeklagte zuvor im Verlaufe der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Gegen das Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte durch seinen Verteidiger mit der Revision, die er unter näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft und der Vertreter des Nebenklägers haben beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen.
Die auf die Sachrüge von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung, ob die Strafkammer zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist, ergibt, dass die Urteilsfeststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung tragen; die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils zur Tat bieten eine hinreichende Grundlage für die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung. Zwar fehlen in den Urteilsfeststellungen nähere Angaben zu den Umständen der Alkoholaufnahme, beispielsweise dem Beginn und dem Trinkende, jedoch hindert dies eine wirksame Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht.
Der Rechtsfolgenausspruch hält indes der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann im Allgemeinen nur eingreifen, wenn die Erwägungen, mit denen der Tatrichter Strafart und Strafmaß begründet hat, in sich rechtsfehlerhaft sind, wenn er rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht lässt oder wenn sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 24, 132). Auch begründen die Strafzumessungserwägungen dann die Revision, wenn von einem falschen Strafrahmen ausgegangen wird oder die für das Strafmaß materiell-rechtlich maßgeblichen Leitgesichtspunkte (§ 46 StGB) nicht richtig gesehen oder nicht zugrunde gelegt worden sind. So liegt der Fall hier, denn die Kammer hat sich mit der sich aufdrängenden Möglichkeit einer Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB im Hinblick auf eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht auseinandergesetzt. Nach den Urteilsfeststellungen ergab eine dem Angeklagten um 11.10 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,77 o/oo. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ergibt sich hingegen aus den Urteilsgründen nicht. Bereits die Höhe der gut zwei Stunden nach der Tat festgestellten Blutalkoholkonzentration hätte für die Kammer Anlass sein müssen, die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB zu erörtern und die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit durch Rückrechnung festzustellen. Dies gilt umso mehr, als sich aus den Urteilsfeststellungen weiter ergibt, dass bei dem Angeklagten eine langjährige Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit bestand und er trotz mehrmaliger Entgiftungen und einer durchgeführten Langzeittherapie weiterhin ein Alkoholproblem besaß.
Unter Zugrundelegung der nach der Rechtsprechung anerkannten Rückrechnungsregeln ist zur Prüfung der Schuldfähigkeit des Täters von einem maximalen Abbauwert auszugehen, der sich aus einem stündlichen Abbauwert von 0,2 o/oo und einem einmaligen Sicherheitszuschlag von 0,2 o/oo ergibt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 43. Aufl., Rdnr. 13 zu § 20 m.w.N.). Zugunsten des Angeklagt...