Leitsatz (amtlich)
Ein rechtsmissbräuchliches Befangenheitsgesuch kann vorliegen, wenn es mit dem prozesstaktischen Ziel, die Durchführung eines anstehenden Verhandlungstermins zu verhindern, gestellt wird. Es kann dann vom abgelehnten Richter als eindeutig und offensichtlich rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden, wenn seine Begründung die angebliche Befangenheit ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Falles nicht belegen kann, so dass die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch kein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens oder das eigene Verhalten des abgelehnten Richters erfordert.
Normenkette
ZPO §§ 42, 45, 47
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 06.03.2015; Aktenzeichen 114 O 97/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 25.03.2015 gegen den Beschluss des LG Münster vom 06.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin nach einem Streitwert von 8.589,71 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten aus angeblich fehlerhafter Anlageberatung. Mit Schriftsatz vom 28.02.2014 hat sie das Kapitalanleger-Musterverfahren beantragt (§ 1 KapMuG). Mit Schriftsatz vom 25.03.2014 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragt, den Antrag als unzulässig zu verwerfen. Der Schriftsatz ist den Klägervertretern mit Verfügung vom 31.03.2014 (Ab-Vermerk vom 01.04.2014) übersandt worden. Mit Beschluss vom 16.04.2014 hat die ** Zivilkammer des LG Münster durch die Einzelrichterin ... den Musterverfahrensantrag der Klägerin als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die begehrte Feststellung ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage beziehe, für die bereits Verjährung eingetreten sei, so dass es an der Entscheidungserheblichkeit des Musterfeststellungsantrages fehle. Im Übrigen sei der Vortrag zu einer fehlerhaften Beratung nicht ausreichend substantiiert. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf den Beschluss des LG vom 16.04.2014, Bl. 445 f. d.A.
Der Beschluss ist den Klägervertretern am 23.04.2014 zugestellt worden.
Mit Verfügung vom 02.09.2014 hat die Einzelrichterin Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt auf den 19.03.2015.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.03.2015 hat die Klägerin die Einzelrichterin Richterin am LG ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die abgelehnte Richterin habe sich bereits vor der Anhörung der Parteien in der Sache festgelegt. Diese Festlegung sei in dem Beschluss vom 16.04.2014 zum Ausdruck gebracht worden. Einem den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Verfahren hätte es entsprochen, ihr - der Klägerin - einen rechtlichen Hinweis zu erteilen, bevor der unanfechtbare Beschluss ergangen sei. Die hierin liegende Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör sei vorsätzlich erfolgt, um ihnen weiteren Vortrag zum Musterverfahrensantrag abzuschneiden.
Mit Beschluss vom 06.03.2015 hat die Einzelrichterin Richterin am LG ... das Ablehnungsgesuch der Klägerin als unzulässig verworfen. Dieses sei rechtsmissbräuchlich angebracht worden, da es ersichtlich zur Verfahrensverschleppung dienen sollte. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen den am 12.03.2015 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.03.2015 - eingegangen bei Gericht am selben Tage - sofortige Beschwerde eingelegt. Sie stützt ihre Beschwerde unter anderem auch auf die weitere Verfahrensführung der abgelehnten Richterin. Durch die Selbstentscheidung und den Erlass des Versäumnisurteils habe die abgelehnte Richterin in unzulässiger Weise die Wartepflicht des § 47 ZPO verletzt, was die Besorgnis der Befangenheit verstärke und einen weiteren Ablehnungsgrund begründe. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie die bereits erstinstanzlich vorgebrachten Ablehnungsgründe.
Die Einzelrichterin Richterin am LG ... hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 24.04.2015 zur Entscheidung vorgelegt.
Zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.03.2015 ist für die Klägerin niemand erschienen. Auf Antrag der Beklagten ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen, gegen das die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.04.2015 Einspruch eingelegt hat.
II. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG Münster vom 06.03.2015 ist zulässig, aber nicht begründet.
Zutreffend hat das LG den Ablehnungsantrag als unzulässig verworfen. Insbesondere durfte die Einzelrichterin ausnahmsweise selbst über das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 05.03.2015 entscheiden.
1. Ein abgelehnter Richter ist - abweichend von § 45 Abs. 1 ZPO - ausnahmsweise dann zu einer eigenen Entscheidung über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch befugt, wenn der Ablehnungsantrag eindeutig und offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist und deshalb der Verwerfung als unzulässig unterliegt (BVerfG, 1 BvR 3084/...