Leitsatz (amtlich)
Zum Absehen vom Fahrverbot aufgrund beruflicher Umstände unter ggf. massiver Erhöhung der Geldbuße
Verfahrensgang
AG Schwerte (Entscheidung vom 05.10.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 4, 49 StVO, 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 200 EUR verurteilt, von der Verhängung eines Fahrverbotes jedoch abgesehen. Hiergegen richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt worden ist.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.
Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung der Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung.
Der Rechtsfolgenausspruch ist allerdings aus Rechtsgründen derzeit zu beanstanden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Aufhebungsantrag wie folgt begründet:
"Dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Hagen trete ich bei und bemerke ergänzend:
Die Wirksamkeit der Beschränkung der Rechtsbeschwerde begegnet keinen Bedenken, weil die Urteilsgründe den Anforderungen genügen, die an die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gestellt werden. Soweit - so wie hier - die Überzeugung des Tatrichters von der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aus mit anerkannten Geräten im weithin standardisierten Verfahren gewonnenen Messergebnissen beruht, reichen danach die Angabe des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes aus (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflg., § 3 StVO, Rdnr. 56 b m.w.N.).
Schließlich enthält das Urteil die wesentlichen Daten des gegen den Betroffenen, der sich im Übrigen geständig eingelassen hat, verhängten Bußgeldbescheides.
Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben, da die in ihm enthaltenen Darlegungen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV grundsätzlich vorgesehenen Fahrverbotes von einem Monat rechtfertigen. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGHSt 38, 125, 136). Dessen Entscheidungsspielraum ist jedoch durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt auch hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. OLG Hamm, JMBI. NW 1996, 246).
Von der Anordnung eines Fahrverbotes kann gem. § 4 Abs. 4 BKatV in Einzelfällen abgesehen werden, in denen der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, dass die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist und die Verhängung des Fahrverbotes trotz der groben bzw. beharrlichen Pflichtverletzung unangemessen wäre, wobei das Vorliegen erheblicher Härten oder einer Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreicht. Einen solchen Ausnahmefall können z.B. der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust der sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage begründen (vgl. Senatsbeschluss vom 06.02.2006 - 2 Ss OWi 31/06 -; OLG Hamm VRS 92, 369, 371).
Eine existentielle Gefährdung der Betroffenen durch die Verhängung eines Fahrverbotes ist weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen worden. In dem Urteil wird lediglich angegeben, die Betroffene sei aus dringenden beruflichen Gründen auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen. Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes hat ein Betroffener jedoch regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen für sich genommen kein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes (zu vgl. Hentschel, a.a.O., § 25 StVG, Rdnr. 25 m.w.N.).
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die berufliche oder wirtschaftliche Existenz der Betroffenen ausschließlich von dem Einsatz ihrer Fahrerlaubnis abhinge. Insoweit erschöpfen sich die Urteilsausführungen in einer ungeprüften Übernahme der Angaben der Betroffenen (zu der Pflicht, die Angaben einer Betroffenen auf ihre ...