Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 24.02.2012; Aktenzeichen 31 Ns 9/12) |
AG Marl (Entscheidung vom 11.10.2011; Aktenzeichen 10 Cs 354/11) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Schuld- und Strafausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Marl verurteilte den Angeklagten am 11. Oktober 2011 wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 €.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen mit Urteil vom 24. Februar 2012 verworfen.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte der leicht alkoholisierte Angeklagte am frühen Morgen des 22. Mai 2011 gegen 5:50 Uhr auf dem Bürgersteig der xxxstraße in xxx mit Blickrichtung zur Fahrbahn stehend bei geöffneter Hose Onanierbewegungen an seinem erigierten Penis ausgeführt. Dies tat er in der Absicht, sich dadurch und zusätzlich durch die Wahrnehmung des Vorganges durch vorbeifahrende Pkw-Fahrer sexuell zu erregen. Dabei war er von der mit ihrem Pkw vorbeifahrenden Zeugin XXX beobachtet worden, welche sich durch den Anblick belästigt gefühlt und unmittelbar nachfolgend Strafanzeige auf der nahe gelegenen Polizeidienststelle erstattet hatte.
Gegen das Berufungsurteil der Strafkammer wendet sich der den Tatvorwurf bestreitende Angeklagte mit der von ihm form- und fristgerecht eingelegten Revision, die er mit näheren Ausführungen auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Er begehrt vornehmlich seinen Freispruch, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache bzw. eine Einstellung des Verfahrens.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,
die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
1. Soweit der Angeklagte mit der Revision einen Freispruch anstrebt, vermag er damit nicht durchzudringen. Gemäß § 354 Abs. 1 StPO kommt eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts in Form des begehrten Freispruchs lediglich dann in Betracht, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen erfolgt und ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung zu erkennen ist. Voraussetzung wäre mithin, dass auch auf Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils ein strafbares Verhalten des Angeklagten unter keinem Gesichtspunkt in Betracht käme. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen - ihre Richtigkeit unterstellt - die erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen exhibitionistischer Handlungen gemäß § 183 Abs. 1 StGB. Möglich erscheint zudem, wie noch auszuführen sein wird, auch eine Strafbarkeit wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gemäß § 183 a StGB.
2. Ebenso wenig kommt eine Einstellung des Verfahrens durch das Revisionsgericht in Betracht. Der Revision ist nicht zu entnehmen, aus welchem Grund eine Einstellung des Verfahrens begehrt wird. Denkbar wäre insoweit allenfalls die Erörterung des Fehlens einer Verfolgungsvoraussetzung in Form des grundsätzlich gemäß § 183 Abs. 2 StGB erforderlichen Strafantrages, welcher sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil zumindest nicht in der gemäß § 158 Abs. 2 StPO erforderlichen Form bei den Akten befindet. Der Senat teilt jedoch die mit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Auffassung, dass seitens der Staatsanwaltschaft Essen mit dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls vom 18. Juli 2011 das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung im Sinne des § 183 Abs. 2 StGB bejaht worden ist.
3. Die Revision beanstandet jedoch unabhängig von den gleichzeitigen unzulässigen Versuchen, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch eigene Erwägungen zu ersetzen, zu Recht, dass die angefochtene Entscheidung einen Begründungsmangel im Rahmen der Beweiswürdigung aufweist.
Das Revisionsgericht hat zwar die einer lediglich eingeschränkten Prüfung auf Rechtsfehler unterliegende Beweiswürdigung des Tatrichters grundsätzlich hinzunehmen. Es kann sie aber unter anderem darauf überprüfen, ob sie widersprüchlich, lückenhaft oder in wesentlichen Punkten unklar ist oder Widersprüche enthält bzw. gegebenenfalls gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rdnr. 26 ff. m.w.N.). Die Beweiswürdigung muss hierbei für das Revisionsgericht nachvollziehbar sein und die Feststellungen des Tatrichters zumindest als möglich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschluss vom 09. März 2010 - 5 RVs 8/10). ...