Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter im Ausbildungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des Betreuungsunterhalts gem. § 1615l Abs. 2 BGB wird der betreuenden Mutter in den ersten drei Lebensjahren des Kindes ausnahmslos keine Erwerbstätigkeit zugemutet. Ist sie gleichwohl - überobligatorisch - erwerbstätig, ist in entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB nach Billigkeitsgesichtspunkten über den Umfang der Anrechnung ihres Einkommens auf den Bedarf zu entscheiden.
2. Befindet sich die betreuende Mutter noch in der Berufsausbildung, kann dies einer vollschichtigen Tätigkeit gleichkommen. Der Mindestbedarf richtet sich dann nach dem notwendigen Selbstbehalt für Erwerbstätige und nicht lediglich nach demjenigen für Nichterwerbstätige.
3. Ist der Unterhaltspflichtige als Arzt voraussichtlich nur vorübergehend arbeitslos, kann es ihm zumutbar sein, den Unterhalt gem. § 1615l Abs. 2 BGB aus dem Stamm seines Vermögens zu bestreiten.
4. Ist die betreuende Mutter noch während der Schwangerschaft wieder zu ihrem bisherigen Freund zurückgekehrt, kann die frühere Dauer der Beziehung für das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft entsprechend § 1579 Nr. 2 BGB nicht in entscheidender Weise mitberücksichtigt werden, wenn das zwischenzeitliche Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen insoweit als Zäsur anzusehen ist.
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 2 S. 2, § 1579 Nr. 2, § 1610 Abs. 1, § 1615l Abs. 2
Verfahrensgang
AG Dortmund (Beschluss vom 17.05.2010; Aktenzeichen 109 F 5006/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 17.5.2010 verkünde-ten Beschluss des AG - Familiengericht - Dortmund wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird der Antragsgegner ver-pflichtet, zusätzlich zu dem im Versäumnisbeschluss des AG - Fami-liengericht - Dortmund vom 15.3.2010 titulierten Unterhalt an die Antragstellerin weiteren Unterhalt wie folgt zu zahlen:
a) für die Zeit von Januar bis März 2010 monatlich 78 EUR,
b) ab April 2010 monatlich 39 EUR.
Hinsichtlich der ersten Instanz verbleibt es bei den Kostenentscheidungen des AG. Die Kosten der Beschwerdeinstanz werden der Antragstellerin zu 10 % und dem Antragsgegner zu 90 % auferlegt.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB für die Zeit ab Juli 2009.
Die Beteiligten sind die Eltern des am 18.5.2009 geborenen Kindes N X. Der am 17.4.1976 geborene Antragsgegner hat die Vaterschaft durch Urkunde vom 9.9.2009 anerkannt. Dem hat die Antragstellerin zugestimmt. Der Antragsgegner war bis November 2009 als angestellter Arzt auf der Insel C2 beschäftigt. Seit Dezember 2009 war er vorübergehend arbeitslos. Ab dem 15.3.2010 war er wieder bei seinem vormaligen Arbeitgeber angestellt. Seit November 2010 hat er eine neue Arbeitsstelle in der Nähe von L. Die am 7.8.1983 geborene Antragstellerin befindet sich seit dem 1.4.2007 in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Nach Unterbrechung durch den Mutterschutz bzw. die Elternzeit vom 14.4.2009 bis zum 31.3.2010 hat sie die Ausbildung, die voraussichtlich bis zum 31.3.2011 dauern wird, am 1.4.2010 wieder aufgenommen. Sie bezog bis zur Geburt des Kindes eine Ausbildungsvergütung i.H.v. ca. 600 EUR netto zzgl. Weihnachtsgeld. Von Juli bzw. September 2009 bis März 2010 erhielt sie Eltern- und Wohngeld.
Mit Schreiben vom 8.9.2009 wurde der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, der Antragsgegner arbeite nur während des Sommers und pausiere im Winter freiwillig. Er verfüge über ein Vermögen i.H.v. 44.000 EUR. Er habe sie während der Schwangerschaft verlassen.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, die Antragstellerin habe sich schon während der Schwangerschaft einem neuen Partner zugewandt, mit dem sie nunmehr zusammenlebe.
Durch Versäumnisbeschluss vom 15.3.2010 hat das AG den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab April 2010 monatlichen Unterhalt i.H.v. 530 EUR sowie einen Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 18.7.2009 bis 31.3.2010 i.H.v. 2.454,50 EUR zu zahlen. Hierbei hat das AG - insoweit abweichend von der Forderungsberechnung gemäß Anwaltsschreiben der Antragstellerin vom 8.9.2009 (Bl. 6 ff. d.A.) - für die Zeit von August 2009 bis März 2010 Wohngeld in monatlicher Höhe von 230 EUR und für die Zeit von Juli bis Dezember 2009 monatsanteiliges Weihnachtsgeld i.H.v. 50,08 EUR in Abzug gebracht.
Gegen diesen Versäumnisbeschluss hat der Antragsgegner rechtzeitig Einspruch eingelegt.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 17.5.2010 hat das AG den Versäumnisbeschluss vom 15.3.2010 sodann aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegner sei gem. § 1615l BGB zur Leistung von Betreuungsunterhalt verpflichtet. Eine Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin bestehe aufgrund der Versorgung des gemeinsamen Kindes nicht. Der Bedarf der Mutter betrage nach den Hammer Leitlinien 770 EUR. Bedarfsmindernd habe...