Leitsatz (amtlich)
1. Erfüllt der Tresor des Versicherungsnehmers nicht die Voraussetzungen eines Wertschutzbehältnisses gem. § 15 Nr. 1b der AVB (entspricht § 13 Nr. 1b VHB 2008), dann gelten die vereinbarten Entschädigungsgrenzen auch dann, wenn das im Tresor aufbewahrte Geld nicht durch Aufbrechen des Tresors, sondern mittels Raubes (Bedrohung des Versicherungsnehmers, der den Tresorschlüssel aushändigt) erfolgt.
2. § 15 Nr. 1 und 2 AVB (= § 13 Nr. 1 und 2 VHB 2008) sind weder überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB noch benachteiligen sie den Versicherungsnehmer in unangemessener Weise i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB.
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 18 O 345/10) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Erhalt dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung.
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung in Anspruch. Nachdem ein Täter über ein Fenster in die Wohnung des Klägers eingedrungen war, nötigte er dessen Ehefrau durch eine Bedrohung mit einem Messer zur Herausgabe des Schlüssels für den Tresor. Mit der Behauptung, dass der Täter das im Tresor aufbewahrte Bargeld von 100.000 EUR entwendet habe, hat der Kläger die Beklagte, die vorgerichtlich 1.000 EUR gezahlt hat, auf Zahlung von 20 % der Versicherungssumme in Anspruch genommen. Er hat geltend gemacht, dass der Tresor in einem Schrank eingebaut und mit Schrauben mit der Wand verbunden gewesen sei. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass es auch bei Aufbewahrung des Geldes in einem Tresor mit höherer Sicherheitsstufe zu demselben Schadensfall gekommen wäre. Seine Ehefrau hätte sich aufgrund der Bedrohungssituation in jedem Fall dazu entschieden, dem Täter das aufbewahrte Geld herauszugeben.
Das LG Essen hat die Klage abgewiesen, weil der Entschädigungsanspruch des Klägers durch § 15 Ziff. 2 lit. b) aa) der AVB (vergleichbar § 13 Nr. 2b VHB 2008) wirksam auf 1.000 EUR begrenzt und dieser Betrag durch die Beklagte bereits geleistet worden sei.
II. Die seitens der Berufung des Klägers vorgebrachten Angriffe greifen nicht, was sich aus Folgendem ergibt:
1. Zwar weist der Berufungskläger zutreffend darauf hin, dass bei einem Raub - anders als bei einem Einbruch - die Aufbewahrung des Bargeldes in einem in § 15 Ziff. 1 lit. b) AVB (vergleichbar § 13 Ziff. 1b VHB 2008) genannten Wertschutzbehältnis keine größere Sicherheit geboten hätte, da es das Wesen des Raubes ist, dass der Täter durch die Bedrohung die Zugriffsmöglichkeit auf den Inhalt eines Tresors erhält. Daraus resultiert aber - anders als der Kläger meint - nicht, dass die in § 15 Ziff. 2 lit. b) genannte Beschränkung für den Versicherungsfall "Raub" nicht gilt. Die Entschädigungsgrenze des § 15 Ziff. 2 lit. b) differenziert nämlich schon ihrem Wortlaut nach nicht zwischen dem Versicherungsfall des Einbruchsdiebstahls und demjenigen des Raubes. Die Regelung bestimmt vielmehr unabhängig von dem konkreten Versicherungsfall die Grenzen der Einstandspflicht des Versicherers und verknüpft diese mit der Art der Aufbewahrung von Bargeld und anderen Wertgegenständen. Insofern kann daraus gerade nicht abgeleitet werden, dass im Falle der Beraubung höhere Wertgrenzen als im Falle eines Diebstahls gelten.
2. Anders als der Kläger meint sind § 15 Ziff. 1 und 2 AVB für den Versicherungsnehmer auch weder überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB noch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB unwirksam.
2.1. Eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 BGB läge nur dann vor, wenn eine deutliche Abweichung zwischen den Erwartungen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einerseits und der betreffenden Klausel andererseits bestünde. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden dabei von allgemeinen Umständen, wie etwa dem Grad der Abweichung von dispositiven Normen bzw. den Umständen des Vertragsschlusses, bestimmt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 21.11.1991 - IX ZR 60/91; OLG Saarbrücken, Urt. v. 7.7.2010 - 5 U 613/09).
Daran gemessen handelt es sich bei den Regelungen in § 15 Ziff. 1 lit. b und § 15 Ziff. 2 lit. b) nicht um überraschende Klauseln. Ein gewöhnlicher Versicherungsnehmer wird nämlich durchaus damit rechnen, dass der Versicherer einer Hausratversicherung nicht ohne weiteres für Bargeldbeträge in Höhe der vollen Versicherungssumme einstehen wird (s. dazu das Urteil des Saarländischen OLG vom 7.7.2010 - 5 U 6139, juris Tz: 29; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 29 VHB 2000 Rz. 9 mit weiteren Nachweisen).
2.2. Die vorgenannten Klauseln sind auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, denn sie benachteiligen den Versicherungsnehmer nicht in unangemesse...