Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweis auf elektronische Speichermedien. Anforderungen an die Darstellung eines Sachverständigengutachtens. Beweiswürdigung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verweis auf auf elektronischen Speichermedien enthaltene Bilddateien ist von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht abgedeckt.
2. Zu den Darstellungsanforderungen an die Beweiswürdigung bei Verwendung eines anthropologischen Gutachtens.
Normenkette
StPO § 267 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
AG Warendorf (Aktenzeichen 71 OWi 235/18) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Warendorf zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot unter Gewährung der sog. "Viermonatsfrist" angeordnet.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde mit der er der der Sache nach die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhebt und einen Freispruch durch den Senat anstrebt, wobei er vornehmlich die Beweiswürdigung des Amtsgerichts angreift. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf, welcher den Senat zu seiner Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache zwingt (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts stützt sich u.a. auf die Fotos "05.Portrait.jpg" und "004.Halbtotal.jpg". Diese Fotos sollen nach den Urteilsgründen auf einem bei den Akten befindlichen Datenträger sein. Auf diese auf dem Datenträger befindlichen Fotos verweist das Amtsgericht nach §§ 46 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO. Dabei wird verkannt, dass ein Verweis auf elektronische Speichermedien (bzw. die darauf befindlichen Bilddateien) von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht abgedeckt ist. Die Vorschrift gestattet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur Verweise auf "Abbildungen", wozu Dateien auf elektronischen Speichermedien nicht gehören (BGH, Urt. v. 02.11.2011 - 2 StR 332/11 = BGHSt 57, 53; OLG Bamberg, Beschl. v. 19.07.2017 - 3 Ss OWi 836/17 - juris; KG Berlin, Beschl. v. 02.04.2015 3 Ws (B) 39/15 - juris; aA die frühere Senatsrechtsprechung, vgl. etwa NStZ 2012, 457). Ob es sich bei den in Bezug genommenen Dateien um die ausgedruckten Fotos Bl. 80 d.A. handelt, auf die an späterer Stelle ordnungsgemäß Bezug genommen wird, kann der Senat nur spekulieren. Aufgrund des unwirksamen Verweises ist die rechtliche Überprüfung der Ausführungen des Amtsgerichts, insbesondere bzgl. des Messfotos, von dem offenbar das Foto Bl. 80 links einen vergrößerten Ausschnitt enthält, nicht möglich. Auf dieses stützt sich aber offenbar (UA S. 4, 4. Absatz) der Sachverständige und in dessen Folge auch das Amtsgericht.
Zudem ermöglicht die Darstellung des eingeholten Sachverständigengutachtens dem Senat keine hinreichende Überprüfung auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung (Lückenhaftigkeit, Widersprüche, Verstöße gegen Denkgesetze o.ä.). Das Amtsgericht teilt zwar eine Reihe von Merkmalen mit, bei denen nach Ansicht des Sachverständigen eine Ähnlichkeit der auf den Fotos Bl. 80 dargestellten Personen "groß" bzw. " vorhanden" ist. Es teilt auch mit, dass der Sachverständige die "Identität des Fahrers mit dem Betroffenen als "sehr wahrscheinlich" angesehen habe. Letztlich kann aber nicht nachvollzogen werden, wie der Sachverständige zu dieser Wahrscheinlichkeitseinschätzung kommt und wie diese einzuordnen ist. Insbesondere ist keine Beurteilung dahingehend möglich, ob es sich bei der Bewertung der Beweisbedeutung der übereinstimmenden Merkmale durch den Sachverständigen nur um mehr oder weniger genaue Anhaltswerte handelt, die den Beweiswert der abgegebenen Wahrscheinlichkeitsaussage erheblich relativieren (vgl. näher OLG Hamm, Beschluss vom 26. Mai 2008 - 3 Ss OWi 793/07 -, Rn. 12, juris m.w.N.).
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Anforderungen an die Darlegung bzgl. eines (anthropologisch-morphologischen) Sachverständigengutachtens (vgl. hierzu OLG Hamm, a.a.O.) nur für den Fall gelten, dass sich der Tatrichter für seine Überzeugungsbildung von der Täterschaft (allein) auf ein Sachverständigengutachten stützt. Verschafft er sich aufgrund eigener Wahrnehmung von der Person den Betroffenen (oder eines Fotos) und einem Abgleich mit dem Radarfoto eine solche Überzeugung, gelten sie nicht. Vielmehr müssen dann die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob das jeweilige Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er - wie hi...