Leitsatz (amtlich)
Die allgemeine Schulpflicht ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Verfahrensgang
Tenor
Die Anträge auf Zulassung der Rechtsbeschwerde werden verworfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, 2, 4 Satz 3 OWiG).
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Betroffenen (§ 473 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG)
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zu den Zulassungsanträgen folgendes ausgeführt:
"Die besonderen Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 OWiG für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Die mit der Sachrüge angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkte sind bereits hinreichend geklärt.
Davon abgesehen hält das angefochtene Urteil einer materiell-rechtlichen Überprüfung auch Stand.
Die hier geforderte Erfüllung der Schulpflicht und damit der Schuldspruch verstoßen nicht gegen Grundrechte der Betroffenen und/oder ihrer schulpflichtigen Kinder: Allein dem Gesetzgeber steht es wegen des Vorbehalts des Gesetzes im Bereich der Schulpflicht zu, die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Schulbesuch oder den Besuch einer anderen als der öffentlichen Pflichtschule festzulegen. In allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland besteht eine allgemeine Schulpflicht. Diese ist in Nordrhein-Westfalen in Art. 8 der Verfassung des Landes mit landesverfassungsrechtlichem Rang ausgestattet. Die gesetzlichen Regelungen sind hier in einem gesonderten Gesetz, dem Schulpflichtgesetz in der Fassung vom 15. 06. 1999, GV NW Seite 408, enthalten. Die auf diese Weise gesetzlich verankerte allgemeine Schulpflicht ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere beschränken die landesrechtlichen Regelungen in zulässiger Weise das elterliche Bestimmungsrecht über die Erziehung des Kindes (zu vgl. BVerfG NJW 1987, 180). Insbesondere dadurch, dass speziellen Elternwünschen hinsichtlich der bekenntnismäßigen Erziehung ihrer Kinder auf Grund der Freiheit zur Gründung privater Ersatzschulen, an denen die Schulpflicht ebenso erfüllt werden kann, Rechnung getragen wird, ist auch hinreichend sichergestellt, dass Eltern und Kinder durch die allgemeine Schulpflicht nicht in einen Glaubens- oder Gewissenskonflikt geraten.
Im Lichte der Grundrechte ist ergänzend zu bemerken:
Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG schützt zwar die Freiheit des Glaubens und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses vor staatlichen Eingriffen und gewährleistet die ungestörte Religionsausübung. Im Schulbereich ist insofern auch das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG von Bedeutung, weil es die Befugnis umfasst, frei von staatlicher Bevormundung auf die religiöse Entwicklung des Kindes Einfluss zu nehmen. Auf der anderen Seite ist aber auch zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz selbst durch Art. 7 Abs. 1 einen staatlichen Erziehungsauftrag erteilt hat, der bei der Lösung von Konflikten auch zur Geltung kommen muss und bei dem es nicht etwa um schlichte Schulaufsicht, sondern um ein inhaltlich funktionierendes Schulwesen geht. Der im Konfliktfall einer vollen Verwirklichung der Glaubensfreiheit entgegenstehende staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag bekräftigt nicht weniger nachdrücklich ein mit Verfassungsrang ausgestattetes Gemeinschaftsinteresse. Eltern, die sich beharrlich weigern, ihre schulpflichtigen Kinder zur Schule zu schicken, müssen letztlich sogar damit rechnen, dass ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind gerichtlich entzogen wird (zu vgl. BayObLG, Beschluss vom 17. 11. 1986 - 3 Ob OWi 161/86 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 08. 1994 5 Ss (OWi) 275/94 -, zitiert nach Niehues, Schulrecht, 3. Aufl. , Rdnr. 331).
Das ordnungswidrige Handeln der Betroffenen entfällt auch nicht dadurch, dass die zuständige Schulbehörde über deren Befreiungsauftrag (durch gemäß § 35 VwVfG NW erforderlichen Verwaltungsakt) noch nicht entschieden hatte. Selbst wenn die materiellen Voraussetzungen für die Befreiung hätten bejaht werden sollen, ist auf die formelle Rechtslage zum Tatzeitpunkt abzustellen, zu dem vorliegend die Genehmigung eben nicht erteilt war (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04. 04. 2001 - 1 Ss OWi 1239/00, zum Parallelfall der noch fehlenden Befreiung eines Schülers von der Teilnahme an einer Klassenfahrt).
Der Rechtsfolgenausspruch lässt einen Ermessensfehler nicht erkennen. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe und die ungewöhnlich niedrigen Geldbußen machen ersichtlich, dass der Tatrichter den - vermeidbaren - Verbotsirrtum der Betroffenen mildernd berücksichtigt hat. "
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und verweist ergänzend auf den Beschluss des BayObLG München vom 14. 10. 1999 - 3 Ob OWi 46/99 - (zit. Schulrecht, SPE, Nr. 734 (Nr. 14)) und speziell zum Schulpflichtgesetz NW auf den Beschluss des BVerwG vom 15. 11. 1991 - 6 B 16. 91 - (zit. Sc...