Leitsatz (amtlich)

1. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes ist nur dann zulässig, wenn die gerichtliche Anordnung, die zwangsweise durchgesetzt werden soll, einen vollstreckbaren Inhalt hat. Dazu muss die verlangte Auskunft, insbesondere beim Versorgungsausgleich, hinreichend bestimmt sein.

2. Die bloße Auflage, bestimmte vom Versorgungsträger mitgeteilte Fehlzeiten "aufzuklären", lässt demgegenüber nicht hinreichend deutlich erkennen, welche konkreten Auskünfte vom Beteiligten verlangt werden.

 

Normenkette

FamFG § 35 Abs. 1, § 220 Abs. 3, 5

 

Verfahrensgang

AG Siegen (Aktenzeichen 15 F 373/23)

 

Tenor

I. Die Sache wird auf den Senat übertragen (§ 35 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 568 ZPO).

II. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22.01.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegen vom 04.01.2024 aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Gerichtskosten für das Vollstreckungsverfahren in erster Instanz werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin stellte im März 2023 einen Antrag auf Scheidung der Ehe und Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Sie erwarb ausweislich der von ihr erteilten Auskunft ein Rentenanrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund.

In der Folgezeit konnte der Versorgungsträger die erbetene Auskunft zum Ehezeitanteil und zum vorgeschlagenen Ausgleichswert nicht erteilen, weil Auskünfte der Antragstellerin fehlten.

Durch Schreiben vom 29.08.2023 forderte die Deutsche Rentenversicherung Bund die Antragstellerin auf, verschiedene ungeklärte Zeiten im Versicherungsverlauf zu klären. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf das Schreiben vom 29.08.2023 (GA 13 f.).

Da die Antragstellerin dieser Auflage nicht nachkam, erließ das Amtsgericht am 31.10.2023 einen Beschluss, in dem es der Antragstellerin aufgab, verschiedene im Beschluss näher bezeichnete ungeklärte Zeiten im Versicherungsverlauf zu belegen.

In diesem Beschluss heißt es wörtlich (GA 19 f.):

Der Antragstellerin wird aufgegeben, dem Gericht gegenüber die noch ungeklärten Zeiten im Versicherungsverlauf zu belegen. Welche Belege fehlen und welche Zeiten ungeklärt sind, kann der beiliegenden Mitteilung des Rentenversicherungsträgers entnommen werden. Zur Vermeidung weiterer Verzögerungen können die entsprechenden Belege und Angaben dem Rentenversicherungsträger direkt übersandt und dem Gericht mitgeteilt werden, was veranlasst worden ist.

Folgende Zeiten sind ungeklärt:

[...]

Hierzu wird eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Es wird darauf hingewiesen, dass bei nicht fristgerechter Erfüllung ein Zwangsgeld bis zu 25.000,- EUR oder Zwangshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann (§§ 220, 35 FamFG).

[...]

In der Begleitverfügung vom 27.10.2023 ist angeordnet, dass neben einer beglaubigten Abschrift des Beschlusses auch das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 29.08.2023 der Zustellung beizufügen ist (GA 22).

Weil auch daraufhin keine weitergehenden Auskünfte der Antragstellerin erfolgten, hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 04.01.2024 gegen die Antragstellerin ein Zwangsgeld von 1.500,- EUR festgesetzt.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung führt der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin aus, er "hoffe", dass die Antragstellerin zwischenzeitlich ihrer Verpflichtung nachgekommen sei. Anderenfalls möge dies auf ihre "konstitutive Verfassung" zurückzuführen sein.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 35 Abs. 5 FamFG statthaft und auch im Übrigen nach Maßgabe der §§ 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.

Sie hat in der Sache ebenfalls Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Zwar durfte das Amtsgericht grundsätzlich die aus § 220 Abs. 3 und 5 FamFG folgende Verpflichtung der Antragstellerin gemäß § 35 Abs. 1 FamFG mit Zwangsmitteln durchsetzen. Auch das Vorbringen in der Beschwerdebegründung, wonach die "konstitutive Verfassung" der Antragstellerin Grund für die Nichterteilung der Auskünfte war, hätte dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verholfen.

Das Verfahren leidet hier aber an einem formalen Mangel.

Die Festsetzung eines Zwangsgeldes ist nur dann zulässig, wenn die gerichtliche Anordnung, die zwangsweise durchgesetzt werden soll, einen vollstreckbaren Inhalt hat. Dazu muss die verlangte Auskunft, insbesondere beim Versorgungsausgleich, hinreichend bestimmt sein.

Daran fehlt es hier.

In der gerichtlichen Anordnung muss ein ganz bestimmtes, auch für eine nicht juristisch gebildete Person ohne Weiteres verständliches Verhalten aufgegeben werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.05.2023 - 20 WF 76/23, MDR 2023, 1053).

Die bloße Auflage, bestimmte vom Versorgungsträger mitgeteilte Fehlzeiten "aufzuklären", lässt demgegenüber nicht hinreichend deutlich erkennen, welche konkreten Auskünfte ...

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