Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung, mündliche. Strafaussetzung zur Bewährung. ausgewiesener Verurteilter
Leitsatz (amtlich)
Zur Erforderlichkeit der mündlichen Anhörung eines ausgewiesenen Verurteilten zur Frage der Reststrafenaussetzung.
Normenkette
StPO §§ 454, 456a
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 29.09.1995) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Landgericht Lüneburg verurteilte den Beschwerdeführer am 29. September 1995 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten. Zwei Drittel dieser Freiheitsstrafe waren unter Anrechnung von 780 Tagen Untersuchungshaft am 29. April 1999 verbüßt. Eine bedingte Entlassung des seinerzeit in der Justizvollzugsanstalt X inhaftierten Verurteilten hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg mit Beschluss vom 17. Februar 1999 unter Hinweis darauf abgelehnt, dass ein Erprobungsversuch ein zu großes Wagnis darstelle. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten war vom Oberlandesgericht Hamm am 18. März 1999 als unbegründet verworfen worden.
Im Hinblick auf eine mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbundene und von dem Verurteilten nicht angefochtene Ausweisungsverfügung des Märkischen Kreises vom 08. Dezember 1997, in der die Wirkung der darin angeordneten Ausweisung des Verurteilten auf 10 Jahre, beginnend mit der Ausreise, befristet wurde, sah die Staatsanwaltschaft Lüneburg im Oktober 1999 nach § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung ab, worauf der Verurteilte am 19. Oktober 1999 aus dem Strafvollzug entlassen und in die Türkei abgeschoben wurde, wo er sich seitdem aufhält. Für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers ordnete die Staatsanwaltschaft die Nachholung der Vollstreckung an und erließ wegen der Restfreiheitsstrafe von 741 Tagen unter dem 10. November 1999 einen entsprechenden Vollstreckungshaftbefehl.
Eine von dem Verurteilten mit Schreiben vom 05. Juli 2000 beantragte Reststrafenaussetzung lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg mit Beschluss vom 18. Juli 2000 unter Hinweis auf die fortdauernden Gründe der Beschlüsse der Kammer und des Oberlandesgericht Hamm vom 17. Februar bzw. 18. März 1999 ab. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm - 1. Strafsenat - vom 09. April 2001 ohne nähere Ausführungen als unbegründet verworfen ( 1 Ws 61/01 ).
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 30. Oktober 2009 hat der Beschwerdeführer nunmehr erneut die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung beantragt und zur Begründung, belegt durch beigefügte schriftliche Unterlagen, ausgeführt, er bestreite als in der Türkei selbständig tätiger Unternehmer seinen Lebensunterhalt auf legale Weise und sei seit seiner Abschiebung in die Türkei dort strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Nach ablehnender Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Lüneburg hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg - ohne weitere Anhörung des Beschwerdeführers - mit Beschluss vom 26. März 2010 eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt und zur Begründung zunächst auf die Beschlüsse der Kammer vom 18. Juli 2000 und des Oberlandesgerichts Hamm vom 09. April 2001 verwiesen. Der Umstand, dass der Verurteilte nach den eingereichten Unterlagen in der Türkei einer selbständigen Tätigkeit nachgehe, reiche im übrigen für die Begründung einer positiven Sozialprognose allein nicht aus. Im Übrigen hätte ein nicht gem. § 456 a StPO abgeschobener Verurteilter voraus-sichtlich mehr als zwei Drittel der Strafe verbüßen oder sich jedenfalls einer Begut-achtung nach § 454 Abs. 2 StPO unterziehen müssen.
Gegen diesen, seinem Verteidiger am 01. April 2010 zugestellten Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner am 07. April 2010 bei dem Landgericht Arnsberg eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 06. April 2010, die trotz Ankündigung bislang nicht begründet worden ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts Arnsberg aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Arnsberg zurückzuverweisen.
II.
Die gem. § 454 Abs. 3 StPO i.V.m. § 57 StGB statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer. Die angefochtene Entscheidung leidet an einem Verfahrensmangel, der die Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer gebietet.
Die Strafvollstreckungskammer hat von der in § 454 Abs. 1 S. 3 StPO zwingend vorgeschriebenen mündlichen Anhörung des Verurteilten abgesehen, ohne hinreichend zu kl...