Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichswert bei einem "verglichenen" Feststellungsantrag in Bezug auf zukünftige Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Rechtsstreit durch Vergleich beendet, so bestimmt sich der Vergleichswert grundsätzlich nach dem Streitwert. Dies gilt auch, wenn ein Feststellungsantrag in Bezug auf zukünftige Leistungen durch Vergleich erledigt wird und dabei eine Zahlung vereinbart wird.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 115 O 157/22)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24.03.2023 gegen die Festsetzung des Vergleichswerts im Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 31.01.2023 wird zurückgewiesen.

2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wenden sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Wertfestsetzung für den Vergleich in dem Beschluss des Landgerichts vom 31.01.2023.

Die Klägerin hat Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend gemacht. Sie hat für einen vor Klageerhebung liegenden Zeitraum einen bezifferten Zahlungsantrag in Höhe von 12.155,92 EUR zur Entscheidung gestellt und für die Zukunft auf Feststellung geklagt, dass die Voraussetzungen der tariflichen Leistung in Höhe von derzeit 1.621,33 EUR (...) längstens bis zum 01.12.2027 erfüllt ist.

In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien sodann folgenden Vergleich geschlossen (Bl. 281 eGA-I):

"1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 18.000,- EUR.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Zahlung zu Ziffer 1) sämtliche Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Versicherungsfall sowie aus dem Versicherungsvertrag erledigt sind und der Versicherungsvertrag beendet ist. (...)"

Das Landgericht hat mit angefochtenem Beschluss vom 31.01.2023 (Bl. 301 eGA-I) den Streitwert des Rechtsstreits auf 71.472,27 EUR und den Vergleichswert auf 86.057,37 EUR festgesetzt. Bei der Bemessung des Vergleichswerts hat es einen Mehrwert wegen der Aufhebung des Versicherungsvertrages in Höhe von 20 % des 3,5-fachen Jahreswertes der Summe von Rentenleistung und Versicherungsprämie berücksichtigt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten (Bl. 308 eGA-I) mit der Begründung, es sei zusätzlich ein Mehrwert in Höhe von weiteren 13.619,17 EUR für den Umstand zu berücksichtigen, dass ursprünglich lediglich ein Feststellungsbegehren für die Zukunft Gegenstand der Klage gewesen sei, nunmehr indes ein Zahlungstitel geschaffen worden sei, dessen Erledigungswirkung sich auch auf den Zahlungsanspruch erstrecke. Der 20-prozentige Abschlag, der bei der Festsetzung des Gegenstandswertes für die Feststellungsklage geboten gewesen sei, sei nunmehr gegenstandswertehöhend hinzuzurechnen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde, die als Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 68 GKG anzusehen ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Gegenstandswert für den Vergleich zutreffend mit 86.057,37 EUR bewertet und gegenstandswerterhöhend einen Mehrwert lediglich für die im Vergleich geregelte Aufhebung des Versicherungsvertrages in Höhe von 20 % des 3,5-fachen Jahresbetrages von Rentenleistung und Versicherungsprämie (Senat, Beschl. v. 13.12.2019 - 20 W 6/19) berücksichtigt, einen Mehrwert für eine Abgeltung eines Zahlungsanspruches durch Schaffung eines Zahlungstitels hingegen zutreffend unberücksichtigt gelassen.

Ein Mehrwert ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht aus dem Umstand, dass die Parteien im Vergleichswege eine (vollstreckbare) Leistungspflicht begründet haben, während der Klageantrag bezüglich der künftigen Rentenzahlungen lediglich auf Feststellung gerichtet gewesen war, und die Parteien zugleich etwaige Zahlungsansprüche für die Zukunft abgegolten haben (a.A. OLG Bremen, Beschl. v. 01.03.2021 - 3 U 19/20, Rn. 9 ff.).

Von den Fällen eines "echten" Mehrvergleichs abgesehen, in welchen ein weiterer, im Rechtsstreit nicht geltend gemachter Anspruch in die Einigung einbezogen wird (so auch der etwaige Anspruch bei einer erneuten Berufsunfähigkeit, weshalb das Landgericht den Vergleichswert zu Recht einmal um 20 % des 3,5-jährigen Bezug erhöht hat), gilt nach Auffassung des Senats Folgendes: Die Parteien erledigen durch einen Vergleich den Rechtsstreit. Der Wert des Vergleichs richtet sich daher nach dem Streitwert. Maßgebend ist, wie die Anträge zu bewerten sind, die durch den Vergleich dem Streit entzogen werden (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.05.2018 - 7 W 9/18, Juris. Rn. 21; Senat, Beschl. v. 27.04.2012 - 20 W 13/12, Juris Rn. 14). Dass die vergleichsweise Regelung eine Erledigung auch betreffend den Anspruchsgrund enthält und damit einem Zahlungsanspruch den rechtlichen Boden entzieht, muss bei der Gegenstandswertbemessung unberücksichtig...

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