Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorratsteilung; Stimmrecht für nicht errichtetes Sondereigentum
Leitsatz (amtlich)
1. Der durch Vorratsteilung und Eintragung im Grundbuch entstandene Miteigentumsanteil verbunden mit dem Anwartschaftsrecht auf Erlangung des Sondereigentums vermittelt dem Berechtigten auch dann das volle Stimmrecht in der Eigentümerversammlung, wenn das Sondereigentum noch nicht errichtet worden ist.
2. Isoliertes Miteigentum entsteht nicht bereits dann, wenn die Errichtung eines ganzen Bauabschnitts mit den dort geplanten Sondereigentumseinheiten aus wirtschaftlichen Gründen (Insolvenz des Bauträgers) unterblieben ist.
3. Werden in Räumen, an denen nach der Teilungserklärung Sondereigentum begründet werden soll, planwidrig Zählereinrichtungen (Hauptwasseruhr nebst Leitung, Stromverteilung nebst Zählern und Hauptsicherungskästen, Postanschlussverteilung) eingebaut, so verbleiben diese Räume einschließlich der Zugangsräume zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum (§ 5 Abs. 2 WEG). Dem betroffenen Sondereigentümer kann deshalb ein Entschädigungsanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer nicht zustehen.
Normenkette
WEG §§ 8, 25
Verfahrensgang
LG Paderborn (Beschluss vom 24.05.2004; Aktenzeichen 5 T 89/04) |
AG Paderborn (Aktenzeichen 52 II 29/03 WEG) |
Tenor
Die sofortigen weiteren Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entscheidung über die Gerichtskosten für das Erstbeschwerdeverfahren abgeändert wird.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der Erstbeschwerde werden den Antragstellern zu 71 % und dem Antragsgegner zu 29 % auferlegt, die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde werden den Antragstellern zu 73 % und dem Antragsgegner zu 27 % auferlegt.
Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet auch für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nicht statt.
Der Geschäftswert wird - insoweit in Abänderung der Entscheidung des LG vom 13.4.2004 - für die erste Instanz auf 11.631,32 EUR, für die zweite Instanz auf 18.631 EUR und für die dritte Instanz auf 12.131 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) bis 6), 8) und 10) sind die Mitglieder der eingangs genannten Anlage. Die Beteiligte zu 7) ist die von den Beteiligten zu 1) bis 6), der Beteiligte zu 9) der von dem Beteiligten zu 8) gewählte Verwalter. Den zu 1) bis 6) beteiligten Antragstellern gehören zusammen 2.770/10.000 Miteigentumsanteile (Wohnungen Nr. 2, 3, 5-8), der zu 8) beteiligte Antragsgegner ist Miteigentümer zu 4.280/10.000 (Wohnungen Nr. 1, 4 und Teileigentum Nr. 1) Anteil. Die restlichen Miteigentumsanteile i.H.v. 2.950/10.000 (betreffend die nicht erbauten Wohnungen 9-14) stehen noch im Eigentum der teilenden Eigentümerin, der Beteiligten zu 10).
Die Beteiligten streiten vorliegend über die Berechnung der Stimmrechte in der Eigentümerversammlung (a), über die Verpflichtung der antragstellenden Eigentümer zur Zahlung von monatlich 6 DM an den Antragsgegner (b), über die Gültigkeit der Wahl der Beteiligten zu 7) zur Verwalterin in der Eigentümerversammlung vom 22.2.2003 (c) und die Gültigkeit der in der Eigentümerversammlung vom 15.4.2003 gefassten Beschlüsse (d). Hintergrund hierfür ist Folgendes:
(a) Die Beteiligte zu 10) hatte ursprünglich beabsichtigt, in zwei Bauabschnitten je ein Gebäude mit Teil- und Wohnungseigentum zu schaffen, wobei die Wohnungen W 1 bis W 8 in dem ersten Gebäude, die Wohnungen W 9 bis W 14 in dem zweiten Gebäude und die Teileigentumseinheit T 1 in beiden Gebäuden errichtet werden sollten. Das zweite Gebäude ist bis heute nicht errichtet worden. Die Beteiligte zu 10) wurde, nachdem sie ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hatte, am 12.2.1992, deren Komplementärin am 13.3.1992 im Handelsregister gelöscht. Zu den Versammlungen der Eigentümer wurde sie in den Folgejahren nicht mehr geladen, sie nahm an ihnen auch nicht mehr teil.
(b) Im Sondereigentum T 1 des Antragsgegners sind in einem Flur und einem sich daran anschließenden Raum (Damen-WC) die Verbrauchszähler für die gesamte Eigentumseinheit installiert (Hauptwasseruhr nebst Leitungen, die Stromverteilung nebst Zählern und Hauptsicherungskästen und die Postanschlussverteilung). Um die Anlagen zwecks Ablesung/Wartung zu erreichen, ist es zwingend erforderlich, den Flur und das WC der Einheit T 1 zu betreten. Der Antragsgegner beansprucht für die Nutzung dieser Räumlichkeiten durch die Antragsteller eine monatliche Entschädigung i.H.v. 6 DM/je Wohnungseigentümer. Diese Entschädigungsleistung war in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand der Versammlungen der Wohnungseigentümer.
In der Eigentümerversammlung vom 16.1.1993 wurde unter TOP 4 (= Ziff. 6 des Protokolls) einstimmig Folgendes beschlossen:
"Vergütung an O.F2 mtl. einschließlich Teileigentum T 1 (je 1/9) 6 DM."
In der Eigentümerversammlung vom 8.1.1994 wurde bezüglich der Vergütung erörtert:
Der monatlich vereinbarte Betrag von 90 DM = 1.080 DM im Jahr beinhaltet folgende Kosten lt. Protokoll v. 16.1.1993: Wasserverbrauch, Kanalgebühren, Versicherung, Geme...