Leitsatz (amtlich)
1. Der in einem Vergleich vor der Einführung des § 1578b BGB geregelte Nachscheidungsunterhalt kann dann wegen Änderung der Geschäftsgrundlage durch eine Begrenzung oder eine Befristung abgeändert werden, wenn die Vereinbarung der Beteiligten keinen abschließenden Charakter hat.
2. Ein abschließender Charakter der Scheidungsfolgenvereinbarung kommt dann in Betracht, wenn die Unterhaltsregelung auch im Hinblick auf einen Zugewinnausgleichsanspruch abfindenden Charakter hat.
3. Bei der Berechnung des ehebedingten Nachteils sind ehebedingte Vorteile - vorliegend ein Wohnvorteil - zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
AG Münster (Beschluss vom 17.02.2015; Aktenzeichen 41 F 18/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 17.02.2015 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Münster unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 24.646,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 654,50 EUR seit dem 01.06.2013, 01.07.2013, 01.08.2013, 01.09.2013, 01.10.2013, 01.11.2013 und 01.12.2013, sowie aus jeweils 608,04 EUR seit dem 01.01.2014, 01.02.2014, 01.03.2014, 01.04.2014, 01.05.2014, 01.06.2014, 01.07.2014, 01.08.2014, 01.09.2014, 01.10.2014, 01.11.2014, 01.12.2014, 01.01.2015, 01.02.2015, 01.03.2015, 01.04.2015, 01.05.2015, 01.06.2015, 01.07.2015, 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016, 01.02.2016, 01.03.2016, 01.04.2016, 01.05.2016, 01.06.2016, 01.07.2016, 01.08.2016 und 01.09.2016 zu zahlen.
Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, an die Antragstellerin ab Oktober 2016 bis einschließlich Dezember 2016 monatlichen Unterhalt in Höhe von 3.074 EUR zu zahlen, zahlbar jeweils am ersten eines jeden Monats im Voraus.
Der Antragsgegner wird ferner verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit ab dem 01.01.2017 monatlichen Unterhalt (Elementarunterhalt) in Höhe von 1.000 EUR und Krankenversicherungsunterhalt in Höhe von monatlich 173,50 EUR zu zahlen, zahlbar jeweils am ersten eines jeden Monats im Voraus.
Die weiter gehenden Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Der Widerantrag des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Der Verfahrenswert für die erste Instanz wird auf 43.948,12 EUR festgesetzt; der Verfahrenswert für Beschwerdeinstanz wird auf 43.293,62 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten haben am ... 1982 geheiratet. Seit dem 01.09.1998 sind sie auf den Scheidungsantrag des Antragsgegners vom 16.05.1997, zugestellt der Antragstellerin am 05.06.1997 (Bl. 676, 689 f. GA), rechtskräftig geschieden (Bl. 732 GA). Vorher hatten die Beteiligten nach ca. elf Ehejahren etwa sechs Jahre getrennt gelebt. Aus der Ehe der Beteiligten sind drei mittlerweile volljährige Kinder - Y1, geb. am ... 1983, Y2, geb. am ... 1986, und Y3, geb. am ... 1990 - hervor gegangen.
Die Antragstellerin lebt seit längerer Zeit mit ihrem Lebensgefährten in der Immobilie X-Straße 28, N, zusammen.
Der Antragsgegner heiratete am 30.07.2012 ein zweites Mal. Auch diese zweite Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind (Bl. 630 = 637; 806 GA), ist seit Januar oder Februar 2015 rechtskräftig geschieden. Die zweite Ehefrau des Antragsgegners hat zwar angekündigt, sie wolle den Antragsgegner auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt in Anspruch nehmen; bislang hat sie Nachscheidungsunterhalt aber - auch nach den eigenen Angaben des Antragsgegners in den Senatsterminen am 01.12.2015 und am 20.09.2016 - nicht geltend gemacht. Der Sozialhilfeträger, der für die geschiedene zweite Ehefrau Leistungen erbringt, hat sich bei dem Antragsgegner im Hinblick auf evtl. übergegangene Unterhaltsansprüche gemeldet. Der Sozialhilfeträger wartet aber die vorliegende Entscheidung ab.
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner erstinstanzlich primär im Wege des Stufenantrags auf Unterhaltszahlung in Anspruch genommen. Hilfsweise hat sie bereits ihren Unterhaltsanspruch ab Mai 2013 auf monatlich 3.074 EUR beziffert. Diesen Unterhaltsanspruch hat sie auf eine am 30.09.1999 von den Beteiligten geschlossene notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung (UR-Nr.: 142/1999 des Notars K in N) gestützt. Die Beteiligten haben in dieser Vereinbarung u.a. Folgendes geregelt (Bl. 21 bis 26 GA):
Unter Ziff. I. übertrug der Antragsgegner seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der vormals als Familienheim genutzten Immobilie X-Straße 28, N, auf die Antragstellerin; diese Immobilie hatten die Beteiligten während der Ehe, nämlich im Jahre 1987, gemeinsam erworben (Bl. 763 = 777 GA). Die Übertragung erfolgte frei von Belastungen in Abteilung II und III (Bl. 22, 198 GA).
Bei dieser Immobilie handelte es sich um ein im Jahre 1987 erbautes freistehendes Einfamilienhaus auf einem 591 qm-großen Grundstück. Erstinstanzlich war unstreitig, dass die Wo...