Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH-Beiordnung in Ehesache. PKH-Beiordnung in Ehesachen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschränkung des Umfangs der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts kommt in einer Ehesache nur in Betracht, wenn die bei einer unbeschränkten Beiordnung entstehenden Mehrkosten voraussichtlich deutlich höher sind als die Kosten für eine Informationsreise der Partei zu einem bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt oder die Kosten für einen im Falle der Vertretung der Partei durch einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zusätzlich beizuordnenden Verkehrsanwalt.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 01.02.2005; Aktenzeichen 103 F 5/05)

 

Tenor

In der Familiensache wird der Beschluss des AG - FamG - Essen vom 1.2.2005 auf die Beschwerde des Antragstellers dahin abgeändert, dass die Einschränkung zu "Essener Bedingungen" bei der Anwaltsbeiordnung entfällt.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

Die vom FamG im Rahmen der dem Antragsteller bewilligten Prozesskostenhilfe bei der Beiordnung der Rechtsanwältin B. in H. vorgenommene Einschränkung "zu Essener Bedingungen", d.h. zu den Bedingungen einer beim AG Essen zugelassenen Rechtsanwältin, ist nicht gerechtfertigt. Ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wird, nur dann beigeordnet werden, wenn hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO). Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass ein auswärtiger Rechtsanwalt regelmäßig nicht beizuordnen ist oder nur zu den Bedingungen eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts (der in § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO enthaltene Begriff des "ortsansässigen Rechtsanwalts" ist bei der Neuregelung des anwaltlichen Gebührenrechts nicht in § 46 RVG übernommen worden, so dass nur noch danach zu unterscheiden ist, ob der Rechtsanwalt bei dem Prozessgericht zugelassen ist oder nicht) beigeordnet werden kann, wenn durch die Terminswahrnehmung Reisekosten entstehen. Es sind vielmehr die voraussichtlichen Reisekosten einerseits und die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts am Wohnort der Partei bzw. in dessen Nähe ersparten Kosten für eine Informationsreise der Partei bei Beauftragung eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts andererseits miteinander zu vergleichen (OLG Nürnberg Rpfleger 2002, 628). Die Beiordnung dürfte danach regelmäßig in Betracht kommen, wenn voraussichtlich nur ein Gerichtstermin erforderlich ist, um den Rechtsstreit durchzuführen. Des Weiteren ist ein nicht zugelassener Rechtsanwalt beizuordnen, wenn hierdurch die Beiordnung eines Verkehrsanwalts vermieden wird, die voraussichtlich nicht wesentlich geringere Kosten verursacht hätte als die Reisekosten des nicht zugelassenen Rechtsanwalts (BGH v. 23.6.2004 - XII ZB 61/04, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1371 = NJW 2004, 2749 = FamRZ 2004, 1362; OLG Zweibrücken v. 27.6.2001 - 2 UF 12/01, OLGReport Zweibrücken 2001, 481 = FamRZ 2002, 107). Nach der vorstehend zitierten Entscheidung des BGH muss das Gericht diesen Umstand prüfen, bevor es die Beiordnung ablehnt oder eine Beschränkung hinsichtlich des Umfangs der erstattungsfähigen Kosten vornimmt und auf diese Weise der Partei auch die Möglichkeit der Beiordnung ihres beauftragten Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt nimmt. Diese Prüfung hat das FamG nicht vorgenommen. Der Senat sieht davon ab, die Sache zur weiteren Prüfung und erneuten Entscheidung an das FamG zurückzuverweisen, da hier die Voraussetzungen für die Beiordnung der nicht beim AG Essen zugelassenen Rechtsanwältin des Antragstellers gegeben sind. In einem Ehescheidungsverfahren ist eine persönliche Information und Beratung zwischen Rechtsanwältin und Partei erforderlich, so dass bei einer Beiordnung eines bei dem AG Essen zugelassenen Rechtsanwalts Reisekosten des Antragstellers zumindest für eine Informationsreise entstehen würden, die nicht niedriger wären als die Reisekosten der vom Antragsteller beauftragten Rechtsanwältin zur Wahrnehmung eines Termins vor dem AG Essen. Dabei ist davon auszugehen, dass voraussichtlich nur ein Termin erforderlich ist, wie dies bei Scheidungsverfahren in der Regel der Fall ist. Wegen der Bedeutung der Sache würde hier außerdem im Falle der Verweisung des Antragstellers auf die Beauftragung eines beim AG Essen zugelassenen Rechtsanwalts die Beiordnung eines Verkehrsanwalts gem. § 121 Abs. 4 ZPO in Betracht kommen, deren Kosten voraussichtlich nicht wesentlich geringer ausfallen würden als die Reisekosten der Rechtsanwältin des Antragstellers.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1347208

FamRZ 2005, 2006

NJOZ 2006, 4356

OLGR-Mitte 2005, 487

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