Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 32 KLs 9/19)

 

Tenor

Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 6.807,00 Euro eine Pauschgebühr in Höhe von 8.500,00 Euro bewilligt, auf welche die bereits ausgekehrten Gebühren einschließlich der festgesetzten Gebühr Nr. 4103 VV RVG für die Teilnahme an dem Haftbefehlsverkündungstermin anzurechnen sind.

Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren mit näherer Begründung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten A die Festsetzung einer Pauschvergütung in Höhe von mindestens 10.000,00 Euro. Das Verfahren sei besonders umfangreich und besonders schwierig gewesen. Die Schwierigkeit des Verfahrens zeige sich u.a. an den umfangreichen Hinweisen, die die Kammer erteilt habe. Der Aktenumfang sei auch im Vergleich zu anderen Verfahren vor der Wirtschaftskammer groß. Ferner hätten im Laufe der Hauptverhandlung mehrere Selbstleseverfahren stattgefunden. Am 31.07.2020 habe außerdem ein Erörterungstermin stattgefunden, für den keine Terminsgebühr angefallen sei. Das verfahrensabkürzende Geständnis des Angeklagten habe zudem eine intensive Vorbereitung bedurft.

Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse am 07.03.2022 ausführlich Stellung genommen und den Tätigkeitsumfang des Antragstellers zutreffend dargelegt. Auf diese dem Antragsteller bekannt gegebene Stellungnahme wird Bezug genommen. Gegen die Bewilligung einer angemessenen Pauschgebühr hat der Vertreter der Staatskasse keine Bedenken erhoben, wobei er darauf hingewiesen hat, dass im Tenor ausgesprochen werden solle, dass auf die Pauschgebühr die bereits ausgekehrten Gebührenbeträge einschließlich der festgesetzten Gebühr Nr. 4103 VV RVG für die Teilnahme am Haftbefehlsverkündungstermin anzurechnen ist.

Der Antragsteller hat auf die Stellungnahme erwidert und insbesondere darauf hingewiesen, dass durch den früheren Verteidiger keine Mithilfe in die Einarbeitung erfolgt sei. Es hätten zudem sechs Haftbesuche in der JVA stattgefunden und die besonders relevanten Aktenteile hätten für den Mandanten kopiert werden müssen, damit dieser sich habe auf die Hauptverhandlung vorbereiten können.

II.

Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist im tenorierten Umfang begründet. Der weitergehende Antrag war jedoch abzulehnen.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die dort bestimmten Gebühren wegen der besonderen Schwierigkeit oder des besonderen Umfangs nicht zumutbar sind. Dies ist der Fall.

Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Vertreters der Staatskasse, die insbesondere auch die Senatsrechtsprechung berücksichtigen, an und nimmt zunächst auf diese Bezug.

1)

Mit dem Vertreter der Staatskasse und der Gerichtsvorsitzenden der erkennenden Kammer ist der Senat vor dem Hintergrund der von dem Antragsteller gemachten Ausführungen der Auffassung, dass das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders schwierig war.

Von besonderer Schwierigkeit im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist auszugehen, wenn das Verfahren aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2006 - 2 (s) Sbd IX - 116/06 -, Rn. 9, juris; Burhoff StraFo 1999, 261, 264).

Das war hier der Fall.

2)

Es handelt sich außerdem auch um ein besonders umfangreiches Verfahren.

Besonders umfangreich im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist eine Strafsache, wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer normalen Sache zu erbringen hat (OLG Dresden, Beschluss vom 11.12.2019 - 1 (S) AR 60/19 -, Rn. 2, juris; OLG Celle StRR 2011, 240). Als Vergleichsmaßstab sind dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH Rpfl. 1996, 169; NStZ 1997, 98; OLG Hamm JurBüro 1999, 194; OLG Celle StRR 2011, 240).

a)

Ein wichtiges Indiz ist zunächst der Aktenumfang. Dieser ist vorliegend auch im Vergleich zu anderen Prozessen vor einer Wirtschaftskammer unter Berücksichtigung der Sonderbände und Beweismittelordner erhöht. Zwar richtete sich die Anklage lediglich gegen drei Angeklagte und umfasste 15 Seiten, was für eine Wirtschaftsstrafsache nicht überdurchschnittlich ist. Inhaltlich ging es aber um einen komplexen Sachverhalt - Firmenstrukturen, Verhältnisse einzelner Firmen zueinander, Unternehmensentwicklung - was eine erhöhte Prozessstoffbearbeitung nahe legt. Auch ist vorliegend nicht von der effektiven Möglichkeit einer Unterstützung des Antragstellers bei der Einarbeitung durch die weiteren Verteidiger auszugehen, da der vorherige Verteidiger un...

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