Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine weitere vollstreckbare Ausfertigung gem § 733 ZPO zu erteilen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 757, 733

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Der Gläubigerin ist eine weitere vollstreckbare Ausfertigung des am 27. Oktober 1978 verkündeten Versäumnisurteils der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld in Höhe von 618,52 DM nebst 8% Zinsen seit 2. Januar 1979 zu erteilen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt 618,52 DM.

 

Gründe

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem o.g. Versäumnisurteil Der Schuldner zahlte am 24. November 1978 an den Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin einen Teilbetrag von 5.000,– DM. Dieser verrechnete die Zahlung teilweise anderweitig, nämlich auf inzwischen festgesetzte Prozeßkosten, die der Schuldner der Gläubigerin zu erstatten habe, und auf Kosten, die auf Grund von Verhandlungen über die Bewilligung von Raten entstanden seien. Dem Gerichtsvollzieher, der auf Grund des Titels mit der Vollstreckung beauftragt war, teilte er unter dem 1. Dezember 1978 mit, der Schuldner habe am 24. November 1978 eine erste Rate von 5.000,– DM gezahlt; von dieser Zahlung entfielen insgesamt 3.179,64 DM auf den laufenden Vollstreckungsauftrag, die er im einzelnen aufschlüsselte. Bei der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung berücksichtigte der Gerichtsvollzieher zugunsten des Schuldners, der ihm eine Quittung über die genannte Zahlung von 5.000,– DM vorwies, die Zahlung in der vollen Höhe von 5.000,– DM und nicht nur in Höhe der von der Gläubigerin genannten 3.179,64 DM und händigte dem Schuldner die Ausfertigung des Titels aus. Die Erinnerung der Gläubigerin, mit der sie die Anweisung an den Gerichtsvollzieher zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erreichen wollte, wies das Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück am 22. April 1979 zurück (4 M 383/79). Nachdem der Schuldner weitere Teilzahlungen geleistet hat, hat die Gläubigerin beantragt, ihr über einen Teilbetrag von 618,52 DM nebst 8% Zinsen seit dem 2. Januar 1979 eine weitere vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils zu erteilen. Der Rechtspfleger hat den Antrag ablehnt und der Erinnerung nicht abgeholfen. Das Landgericht hat der Erinnerung ebenfalls nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Erinnerung ist gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 20 Nr. 13 Rechtspflegergesetz zulässig und gemäß § 11 Abs. 2 Rechtspflegergesetz als (Durchgriff-) Beschwerde zu behandeln (ebenso OLG Frankfurt, RPfleger 1978, 104). In der Sache hat sie Erfolg. Die weitere vollstreckbare Ausfertigung eines Titels (§ 733 ZPO) darf ohne Rückgabe der ersten Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Gläubiger ein Rechtsschutzbedürfnis glaubhaft macht und dem Schuldner keine Nachteile drohen (OLG Frankfurt, RPfleger 1978, 104, 105, OLG Stuttgart, RPfleger 1976, 144; OLG Kiel, JW 1932, 3639; OLG Koblenz, DNtoZ 1970, 409). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Ob die genannten Voraussetzungen gegeben sind, hängt vom Einzelfall ab (OLG Frankfurt, OLG Stuttgart, jeweils a.a.O.). Hat – wie hier – der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung gem. § 757 ZPO ausgehändigt, kommt eine Erinnerung des Gläubigers (§ 766 ZPO) mit dem Ziel, den Gerichtsvollzieher zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung anzuweisen, nicht mehr in Betracht, weil der Gläubiger keine vollstreckbare Ausfertigung des Titels mehr vorweisen kann; das hat das Armgericht Rheda-Wiedenbrück zutreffend entschieden (ebenso LG Düsseldorf, DGVZ 1974, 8). Vielmehr liegt nach herrschender Meinung ein Fall vor, in welchem der Gläubiger unter der Voraussetzung des oben beschriebenen Rechtsschutzbedürfnisses eine weitere vollstreckbare Ausfertigung erhalten kann (Münzberg bei Stein-Jonas-Schöntze-Pohle, ZPO, 19. Aufl., Anm. 1 zu § 733; Zöller-Scherübl, ZPO, 11. Aufl., 1974, Anm. 1 zu § 757; ebenso für den Fall, daß der Gläubiger dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung selbst ausgehändigt hat, OLG Stuttgart, a.a.O. und OLG Königsberg, OLGE 40, 32, sowie für den Fall der versehentlichen Herausgabe OLG Kiel, a.a.O.). Das OLG Frankfurt (RPfleger 1978, 104, 105) hält diesen Weg aber nicht für gangbar, wenn der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung des Titels ausgehändigt hat, nachdem der Schuldner entsprechend dem Vollstreckungsauftrage an den Gerichtsvollzieher gezahlt hatte. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Nach Auffassung des Senats ist eine weitere vollstreckbare Ausfertigung vielmehr jedenfalls dann zu erteilen, wenn (1) der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die erste Ausfertigung des Titels – anders als im Falle des OLG Frankfurt (a.a.O.) – zu Unrecht ausgehändigt hat und (2) der Gläubiger die Berechtigung zur weiteren Zwangsvollstreckung aus dem Titel glaubhaft macht. Es wäre ein nicht zu vertretender Umweg, den Gläubiger in einem solchen Falle auf eine erneute Klage zu verweisen. Denn durch die unrec...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge