Leitsatz (amtlich)
1.
Ein Verstoß gegen § 252 StPO kann in der Revision auch dann gerügt werden, wenn der Angeklagte oder sein Verteidiger der Verwertung des Beweismittels in der Hauptverhandlung nicht widersprochen haben.
2.
Zum Umfang des sich aus § 252 StPO ergebenden Beweisverwertungsverbotes
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 23. 11. 2001) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Dazu hat das Amtsgericht folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
"In den Morgenstunden des 24. 10. 2000 traf der Angeklagte, der betäubungsmittelabhängig ist, seinen Bruder A. K. vor dessen Wohnung und begleitete ihn zunächst bis zu einer Straßenbahnhaltestelle und sodann anschließend während einer Straßenbahnfahrt nach Bochum. In der Nähe der Bochumer Sparkasse in einer Passage tastete der Angeklagte die Taschen seines Bruders ab und gab vor, nur nachprüfen zu wollen, ob dieser seinen Wohnungsschlüssel bei sich habe. Der Angeklagte verfolgte sodann seinen flüchtenden Bruder A. , warf diesen am Eingangsbereich des Lieferantenausgangs zum City Point zu Boden, kniete sich auf den am Boden Liegenden, blockierte seine Arme und entwendete aus der rechten Hosentasche ein Handy der Marke Nokia 3210. "
Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil war auf die formelle Rüge des Angeklagten, mit der er u. a. einen Verstoß gegen § 252 StPO rügt, aufzuheben.
1.
Der Verfahrensrüge der Verletzung des § 252 StPO liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Nachdem der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 23. November 2001 von seinem Schweigerecht Gebrauch machte, verlas das Amtsgericht ein Schreiben des Angeklagten vom 28. Mai 2001 an den Haftrichter des Amtsgerichts Bochum sowie den am 20. Dezember 2000 gegen den Angeklagten erlassenen Haftbefehl.
Das Schreiben des Angeklagten vom 28. Mai 2001 ist im Wortlaut in den Gründen des angefochtenen Urteils wiedergegeben und hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:
"Am Freitag dem 25. Mai 2001 wurde ich dem Haftrichter vorgeführt. Dort habe ich meinen Haftbefehl bekommen und abgestritten was darauf steht. Ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung, das ich eine Falschaussage gemacht habe. Die Geschichte stimmt so wie sie mein Bruder ausgesagt hat. Ich bereue die Tat zu 100 %, weil es falsch war was ich getan habe. Ich habe mich auch bei meinem Bruder mehrmals dafür entschuldigt und ihm ein neues Handy gegeben. "
Der Haftbefehl vom 20. Dezember 2000 enthält ausweislich der Urteilsgründe den Vorwurf, so wie er in die Feststellungen des angefochtenen Urteils eingegangen ist.
Der sodann vom Amtsgericht vernommene Bruder des Angeklagten machte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
2.
Die Verfahrensrüge ist in zulässiger Weise erhoben worden.
Soweit die Verletzung des § 252 StPO gerügt wird, genügt das Revisionsvorbringen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Zwar werden die der Rüge zugrunde liegenden Verfahrensvorgänge insoweit nicht vollständig mitgeteilt, als die Revisionsrechtfertigung hinsichtlich des Wortlauts der verlesenen Urkunden auf die Urteilsgründe Bezug nimmt. Diesbezüglich kann aber aufgrund der umfassend erhobenen Sachrüge der Inhalt des Urteils ergänzend berücksichtigt werden (vgl. BGH StV 2001, 386; StraFo 2001, 86, 87; BGH bei Kusch NStZ 1997, 378; BGH StV 1995, 564; BGH NStZ 1993, 142, 143; Kuckein, in Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Aufl. , § 344 Rn. 39).
Der Zulässigkeit der Rüge steht auch nicht entgegen, dass sich die Revisionsbegründung nicht dazu verhält, ob der Angeklagte oder sein Verteidiger die Verwertung der früheren Angaben des Zeugen und die ihr zugrunde liegenden Verfahrensvorgänge in der Hauptverhandlung beanstandet bzw. ihnen widersprochen haben. § 252 StPO ordnet ein Beweisverbot an, welches von den Verfahrensbeteiligten nicht abbedungen werden kann (vgl. BGHSt 10, 77, 79; BGH StV 1998, 470; NStZ 1997, 95 96 ; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , § 252 Rn. 12). Aus diesem Grund kann der Angeklagte einen Verstoß gegen § 252 StPO in der Revision auch dann rügen, wenn er oder sein Verteidiger der Verwertung in der Hauptverhandlung nicht widersprochen haben. Auch eine Präklusion der Rüge wegen Verzichts auf den in § 238 Abs. 2 StPO vorgesehenen Zwischenrechtsbehelf scheidet bei Eingriffen in die Entschließungsfreiheit eines Zeugen, dem der Gesetzgeber zu seinem Schutz ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt hat, aus (vgl. insoweit BGHSt 45, 203, 20...