Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbeschränkung. Unterschrift. Urteil
Leitsatz (amtlich)
Eine unzureichende richterliche Unterschrift unter einem amtsgerichtlichen Urteil führt wegen des daraus resultierenden Fehlens von Urteilsgründen zur von Amts wegen zu beachtenden Unwirksamkeit einer Berufungsbeschränkung.
Normenkette
StPO § 275 Abs. 2, § 318
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 47 Ns 85/20) |
AG Dortmund (Entscheidung vom 07.10.2020) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dortmund verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 07. Oktober 2020 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und ordnete die Einziehung von 170,79 Gramm Kokainzubereitung sowie 599,51 EUR Dealgeld an. Die Unterschrift der Tatrichterin unter dem amtsgerichtlichen Urteil stellt sich wie folgt dar:
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Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die er in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das Landgericht Dortmund hat die Berufungsbeschränkung für wirksam erachtet und mit Urteil vom 18. Februar 2021 unter Aufrechterhaltung des Urteils des Amtsgerichts Dortmund im Übrigen die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre ermäßigt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 22. Februar 2021 Revision eingelegt, die er fristgerecht mit Schreiben seines Verteidigers vom 18. März 2021 mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.
II.
Die rechtzeitig und formgerecht eingelegte und begründete Revision hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 28. Juli 2021 ausgeführt:
"Die Entscheidung des Landgerichts Dortmund verletzt das materielle Recht, weil es an tatsächlichen Feststellungen zum Schuldspruch, die eine ausreichende Grundlage für eine dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entsprechende Bemessung der Rechtsfolgen darstellen, fehlt. Zu Unrecht ist die Strafkammer des Landgerichts Dortmund von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen und hat infolge dessen rechtsfehlerhaft eigene Schuldfeststellungen nicht getroffen.
Gemäß § 318 StPO ist die Beschränkung einer Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte möglich. Da eine Berufungsbeschränkung jedoch bewirkt, dass der vom Berufungsangriff ausgenommene Teil des Ersturteils im Sinne einer Teilrechtskraft unabänderlich und damit bindend wird, muss er eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Entscheidung des Berufungsgerichts bieten. So scheidet eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch aus, wenn die erstgerichtlichen Urteilsgründe - und mit ihnen die darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen zum Schuldspruch - gänzlich fehlen. In diesen Fällen ist die Urteilsaufhebung bereits auf die Sachrüge hin veranlasst, da eine sachliche Prüfung durch das Revisionsgericht nicht möglich ist. Dem Fehlen der Urteilsgründe steht es gleich, wenn die Urteilsgründe entgegen § 275 Abs. 2 S. 1 StPO überhaupt nicht (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 24) oder nur in ungenügender Weise (Senatsbeschluss vom 20.12.2016 - III - 1 RVs 94/16 -, zitiert nach juris) unterschrieben sind und eine Nachholung der Unterschrift wegen Ablaufs der Frist aus § 275 Abs. 1 StPO ausscheidet (zu vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2019 - 2 Rev 39/18 -; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.05.2016 - Ss 28/16 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2010 - 3 Ss 52/10 -, jeweils zitiert nach juris).
Eine wirksame Unterschrift im Sinne des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der den vollen bürgerlichen Familiennamen - nicht notwendig leserlich - wiedergibt. Es erfordert eine die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert. Dies setzt voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt (BGHSt 12, 317, 319).
Diesen Voraussetzungen wird das Urteil des Amtsgerichts Dortmund - im Übrigen ebenso wenig wie das Protokoll - nicht gerecht. Das Urteil ist mit einem Zeichen ...