Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Bewilligungsantrag für ein Ehescheidungsverfahren nach Eingehung einer möglichen Scheinehe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Ehescheidung kann auch dann nicht unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit zurückgewiesen werden, wenn es sich um eine sog. Scheinehe handelt. Denn diese wird von der Rechtsordnung als wirksam angesehen, so dass es auch der nicht bemittelten Partei möglich sein muss, sich durch Scheidung wieder von der Ehe zu lösen (im Anschluss an BGH NJW 2005, 2781).

2. Jedenfalls dann, wenn der Antragsteller dem Vorhalt, es liege eine Scheinehe vor, entgegentritt, kann er auch nicht darauf verwiesen werden, dass ihm ein einfacherer Weg zur Lösung von der Ehe dadurch zur Verfügung stehe, über die Einschaltung der zuständigen Verwaltungsbehörde gem. den §§ 1314 Abs. 2 Nr. 5, 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Aufhebung der Ehe zu erreichen.

 

Normenkette

BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5; ZPO § 114; BGB § 1316 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Bottrop (Beschluss vom 19.08.2010; Aktenzeichen 13 F 360/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bottrop vom 19.8.2010 abgeändert.

Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U in C bewilligt.

 

Gründe

I. Die am 24.5.1988 geborene Antragstellerin hat den am 21.11.1988 geborenen Antragsgegner T am 23.5.2009 im Libanon geheiratet. Für ihren Antrag auf Ehescheidung sucht sie um Verfahrenskostenhilfe nach. Sie trägt dazu vor, sie habe mit dem Antragsgegner nur in der Zeit vom 16.5. bis zum 6.6.2009 bei der Familie des Antragsgegners im Libanon zusammengelebt, wobei die Ehe nicht vollzogen worden sei. Die Eheschließung sei ohne Kenntnis der Eltern des Antragsgegners erfolgt, weshalb die Eheleute während ihres Aufenthaltes im Libanon in verschiedenen Zimmern geschlafen hätten. Geld habe sie für die Eheschließung nicht erhalten. Nach dem 6.6.2009 sei sie zurück nach Deutschland geflogen. Ihr Ehemann habe in Deutschland studieren oder arbeiten und ihr nachfolgen wollen. Er habe versucht, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Tatsächlich sei er dann aber im Libanon verblieben und bis heute nicht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Auch er wolle die Ehe nicht aufrechterhalten, was sie von ihrem Stiefvater wisse, mit dem der Antragsgegner im Juli 2010 telefoniert habe.

Das AG hat den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin zurückgewiesen, da ihr Vortrag nur den Schluss zulasse, dass sie mit dem Antragsgegner eine Scheinehe geschlossen habe. Selbst dann, wenn sie hierfür kein Entgelt erhalten habe, hätte sie die mit der Reise in den Libanon verbundenen Transport- und Aufenthaltskosten zunächst ansparen und die Reise in den Libanon anderweitig finanzieren müssen, um Rücklagen für die absehbar anfallenden Kosten für die Scheidung dieser Scheinehe zu bilden.

Mit der gegen diesen Beschluss form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin u.a. geltend gemacht, es habe sich nicht um eine Scheinehe gehandelt. Die Reise in den Libanon habe ihre Mutter bezahlt, die inzwischen arbeitslos geworden sei. Ihre Tante habe ihr mittlerweile mitgeteilt, dass ihr Ehemann sich nun doch nicht scheiden lassen und abwarten wolle, bis er sein Visum bekomme. Dieses werde allerdings nicht erteilt werden, da sie mittlerweile das Ausländeramt von ihrer bestehenden Scheidungsabsicht unterrichtet habe.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und gem. den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO begründet.

Die Antragstellerin kann nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht aufbringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Erfolgsaussicht und erscheint nicht mutwillig.

1. Die Antragstellerin, die nach den eingereichten Unterlagen in einer Bedarfsgemeinschaft u.a. mit dem am 10.9.1969 geborenen T2 lebt, SGB II - Leistungen bezieht und sich in der Ausbildung befindet, hat glaubhaft gemacht, bedürftig i.S.v. §§ 114, 115 ZPO zu sein. Ihr Vortrag, sie habe für die Eheschließung kein Geld erhalten, die Reisekosten für den Flug in den Libanon habe ihre Mutter getragen, ist derzeit nicht zu widerlegen.

Sollten sich die Angaben der Antragstellerin im Nachhinein als unwahr herausstellen, wird sie mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben.

2. Das Scheidungsbegehren ist auch nicht als mutwillig anzusehen.

a) Soweit das AG seine Verfahrenskostenhilfe-Verweigerung darauf stützt, das Verhalten der Antragstellerin, nämlich Heirat verbunden mit einem beabsichtigten Erschleichen einer Aufenthaltserlaubnis und anschließendes Scheidungsbegehren seien als Gesamtplan zu würdigen, der zur Mutwilligkeit i.S.v. § 114 ZPO führe (in diesem Sinne OLG Koblenz NJW-RR 2009, 1308), bestehen in zweifacher Hinsicht Bedenken.

aa) Zum einen hat die Antragstellerin ausdrücklich bestritten, dass es sich vorliegend um eine Scheinehe...

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