Leitsatz (amtlich)
1. Die Eigentümergemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschluss die Verfolgung eines sog. gemeinschaftsbezogenen Anspruchs an sich ziehen. Durch einen solchen Beschluss wird dem einzelnen Miteigentümer die Verfahrensführungsbefugnis entzogen (entgegen OLG München NZM 2008, 76 und OLG Hamburg ZMR 2009, 306).
2. Hat der einzelne Anspruchsinhaber seinen Individualanspruch vor einem entsprechenden Mehrheitsbeschluss bereits rechtshängig gemacht, so kann er das Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 265, 326 ZPO fortsetzen.
Normenkette
WEG § 10 Abs. 6, § 22; BGB § 1004; ZPO §§ 265, 325
Verfahrensgang
LG Bochum (Beschluss vom 08.12.2008; Aktenzeichen 7 T 246/08) |
AG Recklinghausen (Aktenzeichen 9 II 47/06 WEG) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 2) tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde und die der Beteiligten zu 1) insoweit entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Miteigentümer der o.a. Wohnungseigentumsanlage. Die Beteiligte zu 1) nimmt die Beteiligte zu 2), soweit noch von Interesse, auf Beseitigung einer von diesen errichteten Zaunanlage, welche deren Sondernutzungsfläche eingrenzt, insoweit in Anspruch, als diese über einen Sichtschutzzaun zur Sondernutzungsfläche der Wohnung Nr. 2 hinausgeht. Das AG hat diesem Antrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das LG zurückgewiesen. Auf ihre sofortige weitere Beschwerde hat der Senat die Entscheidung des LG aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das LG zurückverwiesen. Nach Beiziehung der städtischen Bauakten, Vernehmung mehrerer Zeugen und Anhörung der Beteiligten zu 1) hat das LG die sofortige Beschwerde wiederum zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 2) erneut mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Senatsbeschluss vom 17.4.2008 sowie die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG a.F., 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde wiederum ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG.
1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG nicht ausdrücklich darauf eingegangen, ob die Verfahrensführungsbefugnis der Beteiligten zu 1) fortbesteht, obwohl durch den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 8 der Eigentümerversammlung vom 24.4.2008 eine Regelung dahin getroffen worden ist, dass die Eigentümergemeinschaft den Rückbau der streitgegenständlichen Zaunanlage "auch im Klageverfahren unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts" fordert. Dieser Mehrheitsbeschluss ist, wie der Senat durch Nachfrage bei dem LG Dortmund in Erfahrung gebracht hat, nunmehr bestandskräftig. Gleichwohl ist die Verfahrensführungsbefugnis der Beteiligten zu 1) durch diesen Eigentümerbeschluss nicht entfallen, und zwar aufgrund der folgenden Erwägungen:
Der hier geltend gemachte Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB ist als Ausfluss des (Mit-) Eigentums ein Individualrecht, das jeder Miteigentümer grundsätzlich allein und ohne eine besondere Ermächtigung durch die Eigentümermehrheit geltend machen kann (vgl. BGH NJW 1992, 978). Hieran hat sich durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit des Wohnungseigentümerverbandes nichts geändert (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 62).
Allerdings ist dem Wohnungseigentümerverband durch § 10 Abs. 6 S. 3 WEG n.F. -entsprechend dem bisherigen Stand der Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NZM 2007, 403 ff.) - die Möglichkeit eröffnet, die Ausübung sog. gemeinschaftsbezogener Ansprüche durch Mehrbeschluss an sich zu ziehen. In diesem Sinne muss der genannte Eigentümerbeschluss vom 24.4.2008 verstanden werden, zumal der Beschlussinhalt die gerichtliche Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs durch die Eigentümergemeinschaft vorsieht. Insbesondere seit der Novellierung des WEG ist insoweit jedoch streitig geworden, welche Auswirkungen ein derartiger Beschluss auf die individuelle Befugnis (insb. hinsichtlich eines Anspruchs aus § 1004 BGB) hat. Das OLG München (NZM 2008, 76) und das OLG Hamburg (ZMR 2009, 306) gehen davon aus, dass ein Mehrheitsbeschluss, einen bestimmten Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch durch den Wohnungseigentümerverband verfolgen zu lassen, den einzelnen Miteigentümer nicht hindert, den nämlichen Anspruch auch (weiterhin) individuell geltend zu machen.
Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Insbesondere Wenzel (NZM NZM 2008, 74 ff.; zust. Jennißen NJW 2008, 2004, 2005; BeckOK-BGB/Hügel, Stand 2009, § 10 WEG Rz. 50.) hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit einer gemein...