Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungshauptverhandlung. Versäumung. Krankheit. Verhandlungsunfähigkeit. Attest. Wiedereinsetzung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an ein ärztliches Attest, mit dem die Verhandlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung glaubhaft gemacht werden soll.
Normenkette
StPO §§ 44-45, 329 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 15.12.2020; Aktenzeichen 33 Ns 15/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.
Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat den Angeklagten mit Urteil vom 15.12.2020 wegen "gewerbsmäßigen" Betruges zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht Essen mit Urteil vom 09.07.2021 nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen.
Mit Schriftsatz vom 21.07.2021 hat der Verteidiger des Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt und zugleich Revision eingelegt. Wiedereinsetzung sei zu gewähren, da der Angeklagte - wie sich aus dem beigefügten Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin A vom 09.07.2021 ergebe - zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung aufgrund einer noch nicht ausgeheilten Covid-Infektion weiterhin erkrankt, in seiner Belastungsfähigkeit eingeschränkt und nicht in der Lage sei, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. Einer Begründung der Revision bedürfe es vorläufig nicht, da die Revisonsbegründungsfrist erst mit Zustellung des Beschlusses zur Wiedereinsetzung in Gang gesetzt werde.
Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung hat das Landgericht Essen mit Beschluss vom 23.07.2021, dem Verteidiger des Angeklagten am 27.07.2021 zugestellt, zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 27.07.2021, eingegangen am Landgericht per Telefax am gleichen Tag, sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 09.07.2021 hat das Landgericht Essen mit Beschluss vom 06.09.2021, dem Verteidiger des Angeklagten zugestellt am 10.09.2021, als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 17.09.2021, eingegangen am Landgericht per Telefax am gleichen Tag, die Entscheidung des Revisionsgerichts gem. § 346 Abs. 2 StPO beantragt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Angeklagten auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 10.09.2021 zu gewähren.
II.
1)
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 329 Abs. 7, 46 Abs. 3, 311 StPO statthaft (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, 64. Aufl. 2021, § 329 StPO Rn. 44a) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache indes keinen Erfolg.
a)
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht verworfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungshauptverhandlung war bereits unzulässig.
aa)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 44 S. 1 StPO demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 StPO binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; innerhalb dieser Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner, a.a.O., § 45 StPO Rn. 5; BGH, Beschluss vom 14.01.2015, 1 StR 573/14 -, juris).
Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Wiedereinsetzungsgesuch ist hierbei unter anderem die konkrete Angabe des Hinderungsgrundes (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 - 5 Ws 449/18 -, Rn. 14, juris; OLG Braunschweig Beschluss vom 08.01.2015, 1 Ws 380/13 -, juris). Diesem Erfordernis genügt ein Antragsteller nur, wenn er die Umstände vorträgt, die dazu geführt haben, dass ihm eine Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zuzumuten war (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 - 5 Ws 449/18 -, Rn. 14, juris; OLG Braunschweig Beschluss vom 08.01.2015, 1 Ws 380/13 -, juris). Beruft sich ein Angeklagter - wie vorliegend - auf eine Erkrankung, genügt hierbei der Hinweis nicht, er sei infolge der akuten Erkrankung verhandlungsunfähig gewesen (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 - 5 Ws 449/18 -, Rn. 14, juris; Maul, in: Karlsruher Kommentar, 8. Auflage 2019, § 45 StPO Rn. 7). Es ist auch nicht ausreichend, wenn der Angeklagte ein Attest beibringt, in dem ihm eine Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt wird (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 - 5 Ws 449/18 -, Rn. 14; Maul, in: Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 45 StPO Rn. 7). Vielmehr ist die Art der Erkrankung unter Angabe der Symptomatik detailliert darzustellen (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 - 5 Ws 449/18 -, Rn. 14, juris; OLG Hamm VRS 114, 376: OLG Braunschweig Beschluss vom 08.01.2015, 1 ...