Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschlechterungsverbot. Verbot der reformatio in peius. Teilrechtskraft. Rechtsmittelbeschränkung. Tagessatzhöhe. Geldstrafe. Verwarnung mit Strafvorbehalt
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Angeklagte sein Rechtsmittel wirksam auf die Tagessatzhöhe einer Geldstrafe beschränkt und erkennt das Gericht hernach lediglich auf einen Schuldspruch, verwarnt den Angeklagten und behält die Verurteilung zu einer Geldstrafe vor, so missachtet es die hinsichtlich der Rechtsfolge einer Geldstrafe und der Tagessatzanzahl die bereits eingetretene Teilrechtskraft. Wird eine solche Entscheidung mit der Revision angefochten, so hat das Revisionsgericht - auch auf alleinige Revision des Angeklagten - die (dem Angeklagten günstigere) angefochtene Entscheidung im Umfang der Missachtung der (Teil-)Rechtskraft für gegenstandslos zu erklären. Es hat dann insoweit mit der (dem Angeklagten ungünstigeren) Vorentscheidung sein Bewenden. Dies verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot (Anschluss an BGH, Beschl. V. 12.10.2004 - 5 StR 181/04; im Gegensatz zu BGHSt 18, 127).
2. Dass eine in der Hauptverhandlung erklärte Rechtsmittelbeschränkung nicht mit dem Zusatz "vorgelesen und genehmigt protokolliert" wurde, steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen, sondern hindert allein die absolute Beweiskraft des Protokolls insoweit.
Normenkette
StPO § 358 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Entscheidung vom 15.02.2019; Aktenzeichen 4 Ns 7/19) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts Münster als Wirtschaftsstrafkammer vom 15.02.2019 weist der Senat nach Vorberatung der Sache vorsorglich - insbesondere, damit der Angeklagte bzw. sein Verteidiger die entsprechenden Umstände in ihre Überlegungen bzgl. einer Gegenerklärung zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft innerhalb der laufenden Frist gem. § 349 Abs. 3 StPO einbeziehen können - auf Folgendes hin
Gründe
Gegen den Angeklagten war durch Strafbefehl vom 29.03.2018 eine Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 Euro verhängt worden (Bl. 86 f.). Seinen dagegen gerichteten Einspruch (Bl. 93) hat der Angeklagte in der Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 15.02.2019 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf die Höhe der Tagessätze beschränkt (Bl. 121). Das Amtsgericht hat ihn daraufhin mit Urteil vom 15.02.2019 zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagesätzen von 15 Euro verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht den Angeklagten der Steuerhinterziehung in 13 Fällen schuldig gesprochen, ihn verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 Euro vorbehalten. Die o.g. Rechtsmittelbeschränkung war Gegenstand der Berufungshauptverhandlung (s. Protokoll S. 2, Bl. 162 d.A.) und wird auch in den Gründen des Berufungsurteils erwähnt.
Nach vorläufiger Beratung könnte der Entscheidung des Landgerichts, nämlich statt allein über die Höhe der Geldstrafe zu entscheiden, insgesamt den Angeklagten lediglich zu verwarnen und eine Verurteilung zu einer Geldstrafe lediglich vorzubehalten, die Teilrechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils bzgl. Schuldspruch und Ausspruch der Zahl der Tagessätze, entgegenstehen. Der Angeklagte hat durch seine Beschränkung des Einspruchs allein noch die Höhe der Tagessätze zur Disposition von Amts- und Landgericht gestellt. Dass seine Rechtsmittelbeschränkung nicht mit dem Zusatz "vorgelesen und genehmigt" protokolliert wurde, steht der Wirksamkeit nicht entgegen, sondern hindert allein die absolute Beweiskraft des Protokolls insoweit (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2010, 215). Nach bisheriger Würdigung dürfte an der erklärten Einspruchsbeschränkung kein Zweifel bestehen. Sie wurde - auch im Rahmen der Erörterung vor dem Landgericht - nicht in Frage gestellt. Das Landgericht hat die eingetretene Teilrechtskraft, nämlich die bereits erfolgte Verhängung einer Gesamtgeldstrafe mit einer Tagessatzzahl von 130 Tagessätzen, missachtet, indem es eben diese nicht mehr verhängt, sondern den Angeklagten lediglich verwarnt und eine Verurteilung zu einer entsprechenden Geldstrafe lediglich vorbehält. Bei dieser Entscheidung hat es zudem ganz andere Wertungen zu treffen (vgl. § 59 Abs. 1 StGB: günstige Prognose, besondere Umstände, Verteidigung der Rechtsordnung), als es ihm bei Beachtung der Teilrechtskraft oblegen hätte (vgl. § 40 Abs. 2 und 3 StGB).
Wie in einem solchen Fall (Entscheidung eines Gerichts - hier des Landgerichts - unter Verletzung der eingetretenen Teil-Rechtskraft, wobei die Entscheidung des Gerichts günstiger ist, als die bereits teilrechtskräftig gewordene Entscheidung - hier der Strafbefehl) zu verfahren ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
In der (zahlenmäßig) herrschenden Rechtsprechung und Literatur soll in einem solchen Fall die angefochtene Entscheidung zwar (soweit sie die eingetretene Rechtskraft missachtet) aufzuheben, gleichzeitig aber festzustellen sein, dass es bei der günstigeren Rechtsfolge sein Bewenden hat (BGHSt 18,...