Leitsatz (amtlich)
1.Kann dem dringenden Handlungsbedarf auch mit dem Feststellen des Ruhens der elterlichen Sorge gem. § 1674 Abs. 1 BGB und der Einrichtung einer Vormundschaft gem. § 1773 Abs. 1 BGB Genüge getan werden, stellt dies im Vergleich zum Entzug der elterlichen Sorge das mildere Mittel dar.
2.Gem. § 1674 Abs. 1 BGB ruht die elterliche Sorge, wenn das Familiengericht feststellt, dass die Eltern auf längere Zeit die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben können.
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 1, § 1674 Abs. 1, § 1773 Abs. 1; FamFG § 151
Verfahrensgang
AG Siegen (Aktenzeichen 15 F 1799/23) |
Tenor
1.Es wird festgestellt, dass die elterliche Sorge der Kindeseltern V. T. und M. T. für das Kind P. T., geboren am 00.00.2013, ruht, soweit sie nicht bereits mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 08.09.2023 den Kindeseltern entzogen wurde.
2.Es wird Vormundschaft angeordnet. Zum Vormund wird das Kreisjugendamt D. benannt.
3.Im Übrigen wird der Antrag als unbegründet zurückgewiesen.
4.Der Antrag zum Umgangsausschluss wird wegen sachlicher Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts zur weiteren Bearbeitung an das Amtsgericht Siegen verwiesen.
5.Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
6.Der Wert für das Verfahren wird auf 2.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das betroffene Kind P. T., geboren am 00.00.2013, ging - neben drei weiteren Kindern - aus der Ehe der Kindeseltern V. und M. T. hervor. Die Kindesmutter reiste mit den vier Kindern am 00.00.2022 aus der H. in das Bundesgebiet ein. Der Aufenthaltsort des Kindesvaters ist unbekannt. Die drei hier nicht betroffenen Kinder B. T., geboren am 00.00.2020, I. T., geboren am 00.00.2010 und U. T., geboren am 00.00.2007, leben mittlerweile wieder in der H..
Bis zum 08.08.2022 hatte P. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt der Kindesmutter und wurde sodann - nach einer anonymen Gefährdungsmeldung und nach Überprüfung durch das örtlich zuständige Jugendamt - zunächst mit Einverständnis der Kindesmutter in Obhut genommen. Dieses Einverständnis zog die Kindesmutter mit Schreiben vom 26.08.2022 wieder zurück und widersprach der Fremdunterbringung von P.. Im Rahmen des sodann eingeleiteten Hauptsacheverfahrens zur elterlichen Sorge entzog das Amtsgericht Siegen nach Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens und Anhörung aller Beteiligter - mit Ausnahme des nicht erreichbaren Kindesvaters - den Kindeseltern mit Beschluss vom 08.09.2023 (Az.: 15 F 1088/22) das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht auf Beantragung von Hilfen zur Erziehung und bestellte das Jugendamt zum Ergänzungspfleger.
Hiergegen wandte sich die Kindesmutter mit der Beschwerde, die unter dem 10.01.2024 zurückgenommen wurde, da der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter keinen Kontakt zu ihr herstellen und die Beschwerde daher nicht hat begründen können.
Mit Schreiben vom 01.12.2023 beantragt das Jugendamt Kreis D., im Wege der einstweiligen Anordnung den Kindeseltern auch die Teilbereiche der elterlichen Sorge betreffend schulische Angelegenheiten und Vermögenssorge zu entziehen und auch insoweit eine Vormundschaft für P. einzurichten. Zur Begründung führt es aus, die Kindesmutter habe in der Zeit vom 26.09.2023 bis zum 28.11.2023 durch den regionalen sozialen Dienst (RSD) nicht mehr erreicht werden können. Die Kindesmutter habe zuvor angegeben, für ca. 3 Wochen in die H. fahren zu wollen, sei dann aber erst deutlich später wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Ab dem 04.12.2023 wolle die Kindesmutter wieder in die H. reisen, wobei unklar sei, wann sie wieder nach Deutschland komme. Es gebe immer wieder akut den Bedarf, für P. Entscheidungen zu treffen. So sei das Mädchen zwischenzeitlich nicht krankenversichert gewesen und es seien Entscheidungen bezüglich P.s Schulbesuch zu treffen. Auch habe die Kindesmutter gegenüber ihrer Verfahrensbevollmächtigten angegeben, ihre Wohnung in Deutschland auflösen zu wollen, so dass auch die zukünftige Erreichbarkeit nicht gewährleistet sei.
Mit weiterem Schreiben vom 19.12.2023 hat das Jugendamt überdies im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, den Umgang der Kindesmutter mit P. auszuschließen und zur Begründung ausgeführt, die Kindesmutter sei in die H. ausgereist und es fehle ihr an Mitwirkungsbereitschaft. Die Kindesmutter stelle ihre Bedürfnisse vor die des Kindes, beeinflusse P. in ihrem Loyalitätskonflikt und zeige keinerlei Einsichtsfähigkeit.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, ein Entzug der elterlichen Sorge sei nicht erforderlich, es genüge vielmehr, das Ruhen derselben festzustellen gem. § 1674 Abs. 1 BGB. Im Hinblick auf den Umgangsantrag, sei ein Ausschluss nicht erforderlich, da die Kindesmutter ihre elterliche Sorge sowieso nicht ausüben könne und daher Kontakt mit dem Jugendamt aufnehmen müsse, wenn sie einen Umgangskontakt mit P. herstellen wolle. Eine Begleitung der Kontakte durch (...)-...