Verfahrensgang

StA Bielefeld (Aktenzeichen 42 Js 824/06)

LG Bielefeld (Aktenzeichen 5 Ns 45/07)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 15. September 2006 eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - Herford hat den Angeklagten durch Urteil vom 16.05.2007 wegen eines am 14.09.2006 gegen 17.00 Uhr begangenen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Wegen eines ebenfalls am 14.09.2006 gegen 18.42 Uhr begangenen Diebstahls war der Angeklagte bereits am 15.09.2006 vom Amtsgericht Bielefeld rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 5 EUR verurteilt worden.

Das Landgericht Bielefeld hat die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 16.05.2007 durch Urteil vom 26.11.2007 verworfen. Es hat sich wegen des Verschlechterungsverbots (§ 331 Abs. 1 StPO) an der Bildung einer Gesamtstrafe mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 15.09.2006 gehindert gesehen.

Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge einen geringfügigen Teilerfolg.

1.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält - was die Frage der Strafzumessung und die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung angeht - rechtlicher Überprüfung stand.

2.

Das angefochtene Urteil enthält lediglich insoweit einen sachrechtlichen Mangel, als das Landgericht entgegen § 55 StGB keine Gesamtstrafe mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 15.09.2006 gebildet hat.

Nach § 55 StGB hat der Tatrichter anderweitig rechtskräftig erkannte Strafen in seinen Urteilsspruch einzubeziehen, sofern die sachlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe nach §§ 53, 54 StGB vorliegen. Der Angeklagte soll durch die getrennte Aburteilung seiner Taten in verschiedenen Verfahren keinen Nachteil erleiden und keinen Vorteil erlangen (BGHSt 35, 208, 211; BGHSt 33, 131, 132). Sind in den verschiedenen Verfahren nicht lediglich Freiheitsstrafen verhängt worden, bedarf es nach § 53 Abs. 2 StGB einer besonderen Entschließung darüber, ob eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden oder ob von der Einbeziehung der Geldstrafe abzusehen ist.

Im Berufungsverfahren gilt allerdings § 331 Abs. 1 StPO. Danach darf das Berufungsgericht das Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Angeklagten abändern, wenn nur der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat. Die Vorschrift will sicherstellen, dass der Angeklagte bei seiner Entscheidung darüber, ob er von dem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung des Rechtsmittels ein Nachteil in Gestalt höherer Bestrafung entstehen (BGHSt 35, 208, 211; BGHSt 7, 86, 87).

Hat es der erste Richter abgelehnt, aus einer Geld- und einer Freiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat er zu dieser Frage mithin eine Entscheidung getroffen, dann hat es bei alleiniger Berufung des Angeklagten dabei sein Bewenden. Dem Rechtsmittelgericht ist es in einem solchen Fall durch das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO verwehrt, die Entscheidung des ersten Richters zu korrigieren; denn da Freiheitsstrafe im Verhältnis zu Geldstrafe als das schwerere Übel anzusehen ist, würde der Angeklagte durch die mit einer Erhöhung der Freiheitsstrafe verbundene Einbeziehung einer Geldstrafe gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des ersten Urteils eine Verschlechterung erfahren (BGHSt 35, 208, 212 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 4. August 1976 - 2 StR 420/76, bei Holtz MDR 1977, 109).

Hat der erste Richter über die Bildung einer Gesamtstrafe keine Entscheidung getroffen, muss das Berufungsgericht diese nachholen, um dem aus § 55 StGB folgenden Gebot gerecht zu werden. Durch § 331 Abs. 1 StPO ist es daran nicht gehindert. Die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus einer Geld- und einer Freiheitsstrafe bedeutet zwar für den Angeklagten - insgesamt gesehen - eine Verschlechterung seiner früheren Lage. Diese beruht jedoch nicht auf einer Abänderung der in den Urteilen getroffenen Rechtsfolgenentscheidungen, sondern auf einem erstmals im Berufungsurteil vorzunehmenden richterlichen Gestaltungsakt, der von § 331 Abs. 1 StPO nicht erfasst wird (BGHSt 35, 208; Fischer, StGB, 55. Auflage, § 55 Rdnr. 20; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 331, Rdnr. 20). D...

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