Leitsatz (amtlich)
Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen einen Verteidiger nach den §§ 177, 178 GVG ist unzulässig.
Verfahrensgang
AG Hagen (Entscheidung vom 20.05.2003) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 20. Mai 2003, durch den gegen Rechtsanwalt Dr.N. ein Tag Ordnungshaft angeordnet worden ist, wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Beschwerdeverfahren trägt, aufgehoben.
Es wird zudem festgestellt, dass die Entfernung von Rechtsanwalt Dr.N. aus der Hauptverhandlung vom 20. Mai 2003 unzulässig war.
Gründe
I.
Der Betroffene Rechtsanwalt Dr. N. ist Verteidiger des Angeklagten M., gegen den die Staatsanwaltschaft Hagen den Vorwurf des Verstoßes gegen das BtMG erhoben hat. Die Hauptverhandlung in dem Strafverfahren M. fand am 20. Mai 2003 vor dem Schöffengericht Hagen statt. An dieser nahm Rechtsanwalt Dr. N. als Verteidiger des Angeklagten M. teil.
Nach Schluss der Beweisaufnahme beantragte der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Festsetzung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung und Aufhebung des gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehls. Der Verteidiger beantragte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung und ebenfalls Aufhebung des Haftbefehls. Nach Beratung wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl wurde aufgehoben und neuer Haftbefehl nach Maßgabe des verkündeten Urteils erlassen.
Im Protokoll der Hauptverhandlung vom 20. Mai 2003 ist der Fortgang der Hauptverhandlung im Anschluss an die Verkündung des Urteils wie folgt festgehalten:
"Der Verteidiger unterbrach das Gericht ständig bei seinem Versuch, dem Angeklagten eine Rechtsmittelbelehrung nach Abschluss der Begründung des Urteils zu erteilen.
Er wurde mehrfach aufgefordert, zu schweigen.
Als er diesen Aufforderungen nicht nachkam; wurde die Sitzung unterbrochen und der anwesende RA Dr. N. wurde nunmehr nochmals aufgefordert, zu schweigen und den Sitzungssaal zu verlassen.
Auch dieser Aufforderung kam er nicht nach.
Daher wurde er zunächst auf Anweisung des Vorsitzenden durch die Wachtmeister aus dem Sitzungssaal geführt.
Es wurde wieder in die Hauptverhandlung eingetreten.
Dem Angeklagten wurde hinsichtlich des Urteils und des Haftbefehls eine Rechtsmittelbelehrung erteilt.
Die Sitzung wurde erneut unterbrochen und der störende RA Dr. N. zur Prüfung, ob gegen ihn ein Ordnungsmittel zu verhängen sei, vorgeführt,
Zur Person;
Dr. F.N.
Dem Störer wurde mitgeteilt, dass das Gericht erwägt, gegen ihn ein Ordnungsmittel (Ordnungsgeld oder Ordnungshaft) zu verhängen, da er nach Unterbrechung der Hauptverhandlung gegen M. der Aufforderung des Gerichts, zu schweigen und den Saal zu verlassen, nicht nachgekommen sei und in unverschämterweise weiter geredet und darauf bestanden habe, sprechen zu dürfen.
Dem Störer Dr. N. wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Er erklärte:
Ich habe vor Unterbrechung der Hauptverhandlung gebeten, einen Antrag stellen zu dürfen und, nachdem dies mir nicht gestattet worden war, gebeten, zu protokollieren, dass mir nicht gestattet worden sei, einen Antrag zu stellen.
Sodann habe der Vorsitzende nach Erinnerung des Störers noch vor Unterbrechung der Hauptverhandlung den Störer aufgefordert den Sitzungssaal zu verlassen und darauf hingewiesen, dass gegen ihn nach dem GVG sitzungspolizeiliche Maßnahmen nicht zulässig sind.
Nach der Unterbrechung, so jedenfalls meine Erinnerung, habe ich gesagt: "Sie brauchen mich nicht zu verhaften, ich verlasse den Sitzungssaal freiwillig,"
Das Gesamtgeschehen, angefangen mit meiner Bitte, einen Antrag stellen zu dürfen, bis zu meiner Verhaftung hat insgesamt nicht mehr als 60 Sekunden gedauert.
Der Vertreter der StA erklärte, dass nach seiner Einschätzung ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen den Störer nicht verhängt werden dürfen, da es sich um einen fortlaufenden Wortwechsel gehandelt hat und er deshalb seine Verteidigerstellung durch die während des Wortwechsels erfolgte Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht verloren hat
Das Gericht zog sich zur Beratung zurück.
Nach Beratung wurde der Beschluss (des Gerichts)
verkündet
Beschluss
In der Sache
über die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme betreffend
wird gegen den Störer Dr. N. gem. § 178 Abs. 1 GVG eine
Ordnungshaft von 1 Tag
festgesetzt
Gründe:
Der Störer Dr. N. hat sich im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten M. am heutigen Tage einer gröblichen Ungebühr schuldig gemacht
Er war an diesem Verfahren als Verteidiger beteiligt und unterbrach am Ende der Urteilsbegründung und vor Erteilung der Rechtsmittelbelehrung an den Angeklagten den Vorsitzenden und wollte, dass sofort ein Antrag zu Protokoll genommen wird.
Nachdem der Vorsitzende mehrfach erklärt hatte, dass vor Erteilung der Rechtsmittelbelehrung keinerlei Anträge mehr protokolliert werden, versuchte der Störer Dr. N. seinen Willen durch lautstarkes und aggressives Weiterrede...