Leitsatz (amtlich)
Will das Amtsgericht den Einspruch eines Betroffenen mit der Begründung verwerfen will, von ihm vorgebrachtes Entschuldigungsvorbringen sei nur vorgeschoben und deshalb sei er nicht genügend entschuldigt und will es seine Überzeugung insoweit auf früheres Entschuldigungsverhalten des Betroffenen, das es zunächst als ausreichend angesehen hat, stützen, muss es, wenn dieses nun als nicht mehr ausreichend angesehen werden soll, aufklären, ob der Betroffene damals ausreichend entschuldigt gewesen ist oder nicht. Das gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens.
Verfahrensgang
AG Herford (Entscheidung vom 01.12.2003) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Herford vom 15. Oktober 2002 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.
Das Amtsgericht hatte zunächst Termin zur Hauptverhandlung auf den 22.9.2003 bestimmt. Mit Schreiben seines Verteidigers vom 4.7.2003 hat dieser Terminsaufhebung und Terminsverschiebung unter Beifügung eines amtsärztlichen Gutachtens des Kreises Herford vom 12.3.2001 beantragt, "da der Betroffene außerhalb des Raumes Bünde dauerhaft verhandlungsunfähig sei".
Das Amtsgericht verlegte mit Verfügung vom 9.9.2003 den Verhandlungstermin auf den 17.11.2003 und teilte dem Verteidiger ergänzend mit, das Gericht sähe zur Zeit keine Veranlassung bei dem Amtsgericht Bünde zu verhandeln. Aufgrund dienstlicher Verhinderung des erkennenden Richters verlegte das Amtsgericht Herford mit Datum vom 21.10.2003 den Verhandlungstermin auf den 1.12.2003
Mit Datum vom 14.11.2003 beantragte der Verteidiger des Betroffenen erneut Terminsverschiebung unter Beifügung eines Attestes des Dr. med. S. vom 13.11.2003 mit der Begründung, der Betroffene leide unter Panikattacken und sei außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Bünde nicht verhandlungsfähig.
Zum Hauptverhandlungstermin am 1. Dezember 2003 erschien lediglich der Verteidiger des Betroffenen. Den Antrag des Verteidigers in der Hauptverhandlung, den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, lehnte das Amtsgericht ab und verwarf den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Kreises Herford durch das angefochtene Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG mit der Begründung, der Betroffene sei im Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben, obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet worden sei. Die vom Betroffenen vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen reichten nicht aus, um eine für den 1.12.2003 vorgetragene Verhandlungsunfähigkeit beim AG Herford ausreichend darzulegen und zu beweisen (wird weiter ausgeführt). Insgesamt habe das Gericht damit erhebliche Zweifel, ob die vorgetragene Verhandlungsunfähigkeit tatsächlich bestehen würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 1.12.2003, Bl. 83 - 92 d. GA Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 25.3.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht Bielefeld mit Beschluss vom 11. Mai 2004 verworfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat - zumindest vorläufig - Erfolg, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückzuverweisen war.
1)
Die Rechtsbeschwerde ist noch ausreichend begründet. Wird mit der Rechtsbeschwerde gegen eine gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass der Betroffene nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Amtsgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG genügenden Verfahrensrüge voraus (Göhler § 74 Rn. 48 b).
Die Begründung in der Rechtsbeschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen. Insoweit ist bereits mit dem Vortrag, das Amtsgericht habe das Ausbleiben des Betroffenen im Termin nicht als unentschuldigt ansehen dürfen, eine zulässige Verfahrensrüge erhoben (Göhler OWiG § 74 Rn. 48 b mwN). Denn aus dem Verwerfungsurteil selbst ergibt sich in Ergänzung dazu, dass der Betroffene unter Vorlage von Attesten dem Gericht Entschuldigungsgründe vorgetragen hat (vgl. OLG Köln, NZV 1999, 261 (262)). Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils brauchen dagegen nicht wiederholt zu werden. Das wäre reiner Formalismus (OLG Düsseldorf NStZ 1994, 331 = StV 1994, 148).
2)
Das Rechtsmittel ist auch begründet, da die Urtei...