Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO liegt nicht vor, wenn der Motor des Kraftfahrzeuges ausgeschaltet ist.
Verfahrensgang
AG Iserlohn (Entscheidung vom 11.12.2006) |
Tenor
1.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2.
Die Sache wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
3.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.
4.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen "fahrlässig unzulässiger Nutzung seines Mobiltelefons während der Fahrt" zu einer Geldbuße von 40,00 EUR verurteilt worden.
Nach den vom Amtsgericht aufgrund der geständigen Einlassung des Betroffenen getroffenen Feststellungen näherte sich der Betroffene am 05. August 2006 zunächst mit dem von ihm geführten Pkw einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage in Hemer. Da die Ampel rot zeigte, schaltete er den Motor ab, nahm dann ein Mobiltelefon auf und telefonierte kurz mit einem Bekannten, dem er sein unmittelbares Ankommen ankündigte. Sodann beendete er das Telefongespräch. Anschließend schaltete die Lichtzeichenanlage auf gelb und sodann auf grün. Der Betroffene startete den Motor, fuhr entsprechend den Weisungen der auf ihn aufmerksam gewordenen Polizeibeamten noch ein Stück weiter und wurde sodann von diesen angehalten.
Das Amtsgericht hat den Tatbestand des § 23 Abs. 1 a StVO als erfüllt angesehen, da trotz des Abstellens des Motors der Betroffene weiterhin als Führer eines Kraftfahrzeugs vor einer Rotlicht zeigenden Ampel sein Mobiltelefon nicht hätte benutzen dürfen.
Der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
II.
In der Sache war es geboten, die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs.1 Nr. 1 OWiG zuzulassen, um die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen und die Sache gem. § 80 a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Soweit ersichtlich ist, ist die hier im Raum stehende Rechtsfrage im Bezirk des hiesigen Oberlandesgerichts noch nicht entschieden und bedarf einer Klärung.
Insoweit handelt es sich um die Entscheidung des Einzelrichters des Senats gem. § 80 a Abs. 1 OWiG.
III.
Die somit zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen den Schuldspruch wegen unerlaubter Nutzung eines Mobiltelefons gem. §§ 23 Abs. 1 a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO i. V. m. § 24 StVG nicht.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene zwar als Fahrzeugführer sein Mobiltelefon benutzt, wobei er es aufgenommen und gehalten hat, was ihm gem. § 23 Abs. 1 a S. 1 StVO grundsätzlich untersagt ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies jedoch nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.
Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Auslegung dieser Vorschrift, dass dem Ausschalten des Motors eines vor einer Rotlicht zeigenden Ampel stehenden Kraft-fahrzeugs keine Bedeutung beizumessen sei, stellt eine mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbare Ausdehnung der Bußgeldbewehrung zu Lasten des Betroffenen dar. Dies hat das Oberlandesgericht Bamberg bei einer identischen Fallgestaltung mit ausführ-licher und überzeugender Begründung in seinem Beschluss vom 27. September 2006 - 3 SsOWi 1050/06 - (= NJW 2006, 3732 = NZV 2007, 49 = DAR 2007, 94) ausgeführt.
Auch der Senat teilt diese Auffassung und schließt sich ihr einschließlich ihrer Begründung an.
Er setzt sich damit auch nicht im Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung, da sämtliche bislang zur Frage der unerlaubten Nutzung eines Mobiltelefons ergangenen Entscheidungen Sachverhalte betreffen, in denen der Motor eines Kraftfahrzeugs bei Benutzung des Telefons eingeschaltet war (vgl. u. a. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2006 in 2 SsOWi 402/06 m. w. N.).
Bei dieser Sachlage war auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin der Betroffene unter Aufhebung des angefochtenen Urteils durch Beschluss gem. § 79 Abs. 5 u. 6 OWiG freizusprechen.
Es ist nicht zu erwarten, dass noch Feststellungen getroffen werden könnten, die zu einer Verurteilung des Betroffenen führen. Dies gilt auch für andere denkbare Verkehrsverstöße im Zusammenhang mit der Fahrweise nach Umschalten des Wechsellichtzeichens (vgl. auch hierzu OLG Bamberg a. a. O.).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. §§ 473 Abs. 3, 467 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2574861 |
VRS 2007, 379 |
ZfS 2008, 50 |
NJW-Spezial 2008, 43 |
NPA 2009 |
SVR 2008, 312 |
UBB 2008, 3 |
VRA 2007, 220 |