Leitsatz (amtlich)
Die zu Unrecht unterbliebene Anhörung gem. § 128 FamFG stellt einen schweren Verfahrensmangel i.S.v. § 117 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 538 II ZPO dar.
Dieser Verfahrensmangel kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen.
Normenkette
FamFG § 117 Abs. 2, § 128; ZPO § 538 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Beckum (Beschluss vom 02.05.2011; Aktenzeichen 6 F 93/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird die Sache unter Aufhebung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Beckum vom 2.5.2011 und des Verfahrens an das AG - Familiengericht - Beckum - auch zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens -zurückverwiesen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens im Verhältnis der Parteien gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.600 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner, geboren am 26.3.1967, und die Antragstellerin, geboren am 11.7.1968, schlossen am 26.7.2007 die Ehe, aus der Kinder nicht hervorgegangen sind.
Der Antragsgegner hat - wie aus mehreren Parallelverfahren bekannt - zunächst zwischen 1987 und 2003 Geologie, Mathematik und Politologie studiert, dieses Studium allerdings ohne Abschluss abgebrochen. Danach war er u.a. als Softwareentwickler (mit Einkünften von 1.500 EUR netto monatlich) tätig und sodann ab Anfang 2007 als Hausmann.
Die Antragstellerin ist als Diplom-Sozialpädagogin beim D-verband tätig und absolvierte bis Februar 2010 ein berufsbegleitendes Weiterbildungsstudium an der Katholischen Fachhochschule in L2.
Nach dem Vorbringen aus dem Vorverfahren teilte die Antragstellerin am 14.2.2009 dem Antragsgegner mit, dass sie sich von ihm trennen wolle. Der Antragsgegner verließ am 30.4.2009 die Wohnung.
Im Vorverfahren hat der hiesige Antragsgegner die Zuweisung der Ehewohnung im Haus U-Straße in C zur alleinigen Nutzung beantragt, und zwar im Wege der einstweiligen Anordnung sowie in der Hauptsache. Mit Beschluss vom 24.6.2009 hat das AG der hiesigen Antragsstellerin für die Dauer des Getrenntlebens die ehemalige Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hin hat der Senat mit Entscheidung vom 17.11.2009 (11 UF 143/09) ihm in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung vorläufig die Ehewohnung zugewiesen, und zwar ab 1.2.2010.
Weiterhin war bei dem Senat das Trennungsunterhaltsverfahren (11 UF 124/10) anhängig, welches mit einer Beschwerderücknahme geendet hat. Infolgedessen ist die Antragstellerin bis zur Rechtskraft der Scheidung verpflichtet, an den Antragsgegner 196 EUR monatlich an Trennungsunterhalt zu zahlen.
Vorliegend streiten die Beteiligten darüber, ob das AG - wie geschehen - die Ehe hätte scheiden dürfen, ohne den Antragsgegner hierzu persönlich anzuhören.
Der Ablauf des erstinstanzlichen Verfahrens gestaltete sich zusammengefasst wie folgt:
Am 19.3.2010 ging der Scheidungsantrag der Antragstellerin beim AG Beckum ein; die Zustellung an die bisherigen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, Rechtsanwälte H2 und Partner, erfolgte am 19.4.2010. Unter dem 3.5.2010 teilten die Rechtsanwälte H2 und Partner mit, man sei bislang für das Scheidungsverfahren nicht mandatiert, habe auch mit dem Antragsgegner bislang nicht telefonisch Rücksprache nehmen können. Ausweislich der Zustellungsurkunde vom 6.5.2010 erfolgte die Zustellung des Scheidungsantrags an den Antragsgegner durch Niederlegung in der "Partnerfiliale der Fa. H1" in C; eine Benachrichtigung über die Niederlegung erfolgte durch Einlegung in den Gemeinschaftsbriefkasten des Hauses des Antragsgegners unter der Anschrift U-Straße in C. Unter dem 29.5.2010 erfolgte sodann ausweislich der Zustellungsurkunde gleichen Datums die Zustellung der Terminsladung zum 14.6.2010 durch Einwurf in den "zur Wohnung gehörenden" Briefkasten des Antragsgegners. Am 7.6.2010 meldete sich die Mutter des Antragsgegners für diesen und teilte schriftlich mit, die Briefe des Gerichts seien bei dem Antragsgegner "nicht persönlich" angekommen, da er - voraussichtlich bis 14.7. - im Ausland sei und sich nur hin und wieder sich in C aufhalte. Die Abholung von Schriftstücken bei der Fa. H1 - von deren Verbleib er durch Anruf auf der Geschäftsstelle erfahren habe - sei dem Antragsgegner nicht zuzumuten. Zugleich legte die Mutter des Antragsgegners eine Vollmacht des Antragsgegners vor, die auch den Empfang von Postsendungen umfasste.
Unter dem 11.6.2010 bestellten sich die Rechtsanwälte H2 und Partner für den Antragsgegner und beantragten die Aufhebung des anberaumten Termin: Der Termin sei dem Antragsgegner nicht zur Kenntnis gebracht worden; er habe keinerlei Postsendungen oder Benachrichtigungen erhalten - weder den Scheidungsantrag noch die Terminsladung; sein Briefkasten werde vom gesamten Haus genutzt. Das AG hob daraufhin unter dem 11.6.2010 den für den 14.6.2010 anberaumten Termin auf. Zugleich wurde die Antragsgegnervertreterin aufgefordert, mitzuteilen, wann sich der Antragsgegner ...