Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Erheblichkeit. erhebliche Straftaten. Verhältnismäßigkeit. Unverhältnismäßigkeit. Gefährlichkeitsprognose. schwerer seelischer oder körperlicher Schaden. sexueller Missbrauch von Kindern
Leitsatz (amtlich)
1. Sind von einem in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Straftäter (auch) zukünftig (mindestens) Missbrauchstaten wie etwa der Schenkelverkehr mit vorpubertären Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Entlassung zu erwarten, so kann dies die Voraussetzungen für eine weitere Fortdauer der Maßregel über zehn Jahre hinaus (konkret: rund 32 Jahre der Unterbringung) nach § 67d Abs. 6 S. 3, Abs. 3 StGB erfüllen.
2. Die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 67d Abs. 6 S. 1 StGB ist durch die Neuregelungen in § 67d Abs. 6 S. 2 und 3 StGB nicht obsolet geworden. Kommt das Vollstreckungsgericht zu dem Ergebnis, dass nicht schon ein Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 S. 3, Abs. 3 StGB bzw. § 67d Abs. 6 S. 2 StGB auszusprechen ist, ist eine Erledigung nach der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsregelung des § 67d Abs. 6 S. 1 StGB zu prüfen.
Normenkette
StGB § 67d Abs. 3, 6, § 63
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 12 StVK 145/16) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Untergebrachte zu tragen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde am 19.2.1985 durch das Landgericht Bielefeld wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gleichzeitig ordnete die Strafkammer die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Verurteilung lag zum einen der bis zum Samenerguss durchgeführte Schenkelverkehr mit seiner zur Tatzeit dreijährigen Nichte zu Grunde. Zum anderen hatte der Untergebrachte zwei siebenjährige Mädchen in den Wald gelockt, sie die Hosen herunterziehen lassen und sodann bei einer den Schenkelverkehr durchgeführt. Als das andere Mädchen zu weinen angefangen hatte, hatte er von den Kindern abgelassen und war weggelaufen. Die Strafkammer gelangte sachverständig beraten zu der Feststellung, dass der Untergebrachte mit einem IQ von 72 debil sei. Infolge seines Schwachsinns sei er nicht in der Lage, seinem Triebverlangen, dass er bisher durch normale heterosexuelle Beziehung nicht habe befriedigen können, die erforderlichen rationalen Hemmungen entgegenzusetzen. Deshalb sei seine Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Taten erheblich vermindert gewesen. Die Strafkammer war davon überzeugt, dass aufgrund dessen mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin mit sexuellen Übergriffen des Untergebrachten auf Kinder zu rechnen sei.
Der Untergebrachte befindet sich seit Februar 1985 - nur unterbrochen von einem viermonatigen Aufenthalt in der Klinik für gerichtliche Psychiatrie in I - im Maßregelvollzug in dem LWL-Zentrum für forensische Psychiatrie in M. Die seitdem mindestens jährlich erfolgten gerichtlichen Überprüfungen gemäß §§ 67e, 67d StGB führten jeweils zur Anordnung der Fortdauer der Unterbringung.
Zuletzt ordnete das Landgericht Paderborn mit Beschluss vom 8.7.2016 die Fortdauer der Unterbringung an, da die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr für kleine Mädchen nicht hinreichend verringert sei. Die Diagnose einer Pädophilie sei unverändert vorhanden, zumal der Untergebrachte nicht bereit sei, sich in der Therapie zu seinen sexuellen Impulsen und Gedanken zu äußern. Aufgrund der fortbestehenden Gefährlichkeit des Untergebrachten sei auch die Fortdauer der Unterbringung trotz ihrer langen Dauer nicht unverhältnismäßig. Ohne feste Strukturen gehe von dem Untergebrachten weiterhin ein unkalkulierbares Risiko neuer einschlägiger pädophiler Taten aus. Es müsse zunächst abgewartet werden, inwieweit die Bereitschaft des Untergebrachten, nunmehr in ein Wohnheim zu ziehen, was er bislang noch abgelehnt habe, dazu führe, dass für ihn eine Rehabilitationsperspektive erarbeitet werden könne.
Gegen diesen Beschluss, der dem Untergebrachten am 28.7.2016 zugestellt worden ist, hat er durch Schreiben seines Verteidigers vom 28.7.2016, eingegangen beim Landgericht Paderborn am 29.7.2016, sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die Unterbringung für erledigt zu erklären. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die weitere Unterbringung unverhältnismäßig sei. Die Unverhältnismäßigkeit ergebe sich aus der ununterbrochenen Freiheitsentziehung seit inzwischen mehr als 32 Jahren bei einer Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Der Senat hat für die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung ein Prognosegutachten des externen Sachverständigen Dipl.-Psychologe Dr. F eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 8.12.2016 hingewiesen. Der Untergebrachte und die Gen...