Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde gegen einstweilige Anordnung, die Umgangsausschluss beinhaltet
Verfahrensgang
AG Beckum (Beschluss vom 29.01.2004; Aktenzeichen 6 F 61/00 (UG) e.A) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG - FamG - Beckum vom 29.1.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten und Auslagen findet nicht statt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind seit 1987 verheiratete und seit März 1999 getrennt lebende Eheleute. Aus ihrer Ehe ist die am 20.4.1988 geborene Tochter K. hervorgegangen, die im Haushalt der Beteiligten zu 2) lebt. Dieser ist durch Beschluss des AG - FamG - Lippstadt vom 22.3.2000 (AG Lippstadt, Beschl. v. 22.3.2000 - 13 F 342/99) die alleinige elterliche Sorge übertragen worden. Das Verhältnis der Kindeseltern ist seit der Trennung von tiefgreifenden Spannungen und Streitigkeiten geprägt, die bereits Gegenstand diverser Verfahren und wechselseitiger Strafanzeigen waren.
Nachdem der Senat das Umgangsrecht des Beteiligten zu 1) in einem vorangegangenen Verfahren (OLG Hamm - 11 UF 143/01 = AG Beckum - 6 F 227/00) mit Beschluss vom 21.12.2001 für die Dauer eines Jahres ausgeschlossen hatte, hat der Beteiligte zu 1) im Rahmen des vor dem AG anhängigen Scheidungsverbundverfahrens (AG Beckum - 6 F 61/00) beantragt, ihm das Sorgerecht für die Tochter zu übertragen und ihm zudem im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Umgangsrecht mit ihr einzuräumen.
Das AG hat das Verfahren bezüglich des Sorgerechts von dem Verbundverfahren abgetrennt und durch den angefochtenen Beschluss sodann nach mündlicher Verhandlung und Einholung einer Stellungnahme des Jugendamtes sowie Anhörung des Kindes und der Beteiligten das Umgangsrecht des Beteiligten zu 1) mit seiner Tochter für die Dauer von 12 Monaten ab Beschlussfassung ausgeschlossen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, der auf die Dauer eines Jahres begrenzte Ausschluss des Umgangsrechts sei nach § 1684 Abs. 4 BGB geboten, weil andernfalls das Wohl K.s gefährdet wäre, die nach wie vor einen persönlichen Kontakt zum Vater ablehne. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er seinen Antrag weiterverfolgt.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig.
Allerdings unterliegen einstweilige Anordnungen nach §§ 620 ff. ZPO gem. § 620c S. 1 ZPO allein in den dort aufgezählten Fällen der Beschwerde, während sie im Übrigen unanfechtbar sind. Angesichts der in § 620 Ziff. 1 und 2 vorgenommenen Differenzierung zwischen Sorge- und Umgangsrecht sind danach Entscheidungen zu Letzterem - soweit durch einstweilige Anordnung ergangen - grundsätzlich nicht nach § 620c S. 1 ZPO beschwerdefähig (Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 620c Rz. 4 unter Hinweis auf OLG Saarbrücken v. 17.12.1985 - 6 WF 176/85, FamRZ 1986, 182; OLG Hamburg v. 2.2.1987 - 12 WF 7/87, FamRZ 1987, 497; OLG Dresden v. 10.1.2003 - 10 WF 783/02, MDR 2003, 633 = OLGReport Dresden 2003, 399).
Ob eine sofortige Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung zuzulassen ist, wird zwar bezweifelt (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 620c Rz. 12 m.w.N.), ist hier aber ausnahmsweise zu bejahen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das AG durch den im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens - nach mündlicher Verhandlung - angeordneten Ausschluss des Umgangs für die Dauer von 12 Monaten de facto in der Hauptsache entschieden und so eine ansonsten dort noch zu treffende - und dann beschwerdefähige - Entscheidung vorweggenommen hat, wobei es zugleich massiv in die Rechte des Vaters eingegriffen hat. Es hat in einer auf der Grundlage eines Eilverfahrens getroffenen nur vorläufigen Regelung den Umgang für einen Zeitraum ausgeschlossen, der weit über den Zeitraum hinausgeht, der erforderlich ist, um eine endgültige Regelung über den Umgang in einem Hauptsacheverfahren zu treffen. Um den Beteiligten zu 1) nicht völlig rechtlos zu stellen, ist unter diesen Umständen ausnahmsweise die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde zuzulassen. Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum ist in Ausnahmefällen ein Rechtsmittel auch gegen eine an sich unanfechtbare Entscheidung gegeben, wenn diese wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit grob fehlerhaft ist, der angefochtene Beschluss "auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte" (BGH v. 8.10.1992 - VII ZB 3/92, MDR 1993, 80 = NJW 1993, 135; vgl. auch Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rz. 18, jeweils m.w.N.). Vorliegend hat das AG die Vorschrift des § 620 ZPO greifbar gesetzeswidrig ausgelegt. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht einstweilige Maßnahmen zum Gegenstand der ...