Leitsatz (amtlich)
1. § 65 Abs. 4 FamFG entbindet das Beschwerdegericht nicht von der vollumfänglichen Prüfung der internationalen Zuständigkeit. Diese ergibt sich für den Scheidungsantrag ausländischer Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im Falle der Eheschließung nach ausländischem religiösen (hier islamisch-schiitischen) Recht auch nach dem In-Kraft-Treten der Rom-III-Verordnung (EU) in Deutschland zum 21.6.2012 weiterhin aus Art. 3a) der Brüssel-IIa-Verordnung (EG).
2. Für familiengerichtliche Ehescheidungsverfahren, die ab dem 21.6.2012 eingeleitet worden sind (vorliegend am 22.6.2012), bestimmt sich die Frage, welches nationale Recht bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt anzuwenden ist, allein nach den Regelungen der Rom-III-Verordnung. Danach ist für nach ausländischem Recht geschlossene Ehen gemäß Art 8a) der Rom-III-Verordnung im Falle des gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Familiengerichts im Bundesgebiet grundsätzlich deutsches Eherecht anwendbar, jedenfalls, soweit nicht beide Ehegatten ausschließlich die ausländische Staatsangehörigkeit haben und eine nach § 19 Abs. 1 Rom-III-Verordnung vorrangige völkerrechtliche Vereinbarung der beteiligten Staaten hierauf abstellt..
3. Eine gegenüber Art. 8a) Rom-III-Verordnung vorrangige Rechtswahl des ausländischen Eherechts durch die Ehegatten nach Art. 5 Rom-III-Verordnung kann bereits vor dem In-Kraft-Treten der Rom-III-Verordnung erfolgt sein. Dass die Ehegatten zum Zeitpunkt der Bestimmung des ausländischen Rechtsregimes für die Eheschließung und Ehescheidung nicht die faktische Auswahlmöglichkeit eines anderen, insbesondere des deutschen Eherechts hatten, ändert bei der gebotenen Auslegung nach dem hypothetischen Willen der Ehegatten entsprechend den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§§ 242, 313 Abs. 1 BGB) nichts daran, dass - auch nach dem weiten Normzweck des Art. 5 Rom-III-Verordnung - in der einvernehmlichen Vereinbarung von iranischen Ehescheidungsgründen zugunsten der Ehefrau in der Heiratsurkunde entsprechend den Art. 1133, 1134, 1138 iran. ZGB, § 8 iran. Gesetz zum Schutze der Familie eine wirksame Rechtswahl des iranischen Scheidungsrechts liegen kann.
4. Der iranische Ehemann kann die iranische Ehefrau in der Heiratsurkunde wirksam gemäß den Art. 1133, 1134, 1138 iran. ZGB zu dem Ausspruch der Scheidungsformel "Talaq" an seiner Stelle bevollmächtigen. Die erforderliche Gegenwart zweier gerechter Männer bei dem Scheidungsausspruch kann in der Gerichtsverhandlung durch anwesende männliche Rechtsanwälte und Richter sichergestellt sein.
5. Lebt der Ehemann mit der Ehefrau in Deutschland für die Dauer von zumindest sechs Monaten zusammen von SGB-II-Leistungen, ohne der Ehefrau aus eigenen Mitteln "Unterhaltsgeld" zu zahlen, liegt der Scheidungsgrund des § 8 Nr. 2 iran. Gesetz zum Schutze der Familie vor, ohne dass die Ehefrau bei erkennbarer Leistungsunfähigkeit zunächst erfolglos versuchen müsste, den Ehemann durch ein gerichtliches Verfahren und einen Vollstreckungsversuch zur Unterhaltszahlung zu zwingen.
6. Der Scheidungsgrund des § 8 Nr. 4 iran. Gesetz zum Schutze der Familie (schlechtes Benehmen und Verhalten des Ehemannes gegenüber der Ehefrau, für die das Weiterführen des Ehelebens nicht mehr aushaltbar ist) kann im Falle hochstrittiger außergerichtlicher Auseinandersetzungen der Ehegatten vor der Trennung und einer Vielzahl darauf fußender familien- und strafgerichtlicher Verfahren auch ohne eine bereits rechtskräftige Verurteilung des Ehemannes wegen ihm vorgeworfener Straftaten gegen die Ehefrau trotz des Grundsatzes "In dubio pro reo" festgestellt werden, wenn bei einer Gesamtwürdigung jedenfalls erhebliches Fehlverhalten des Ehemannes als maßgeblicher Grund für die Trennung und das Scheitern der Ehe vorliegt.
7. Ein Verstoß der gerichtlichen Entscheidung zur Ehescheidung nach ausländischem Recht gegen den deutschen Ordre public (Art. 12 Rom-III-Verordnung) oder das Verbot der Ungleichbehandlung (Art. 10 Rom-III-Verordnung) liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die iranische Ehefrau nach beiden Rechtsordnungen unter zumutbaren Voraussetzungen die Ehescheidung beantragen kann. Dies ist vorliegend der Fall, weil sie auch nach deutschem Ehescheidungsrecht trotz noch nicht dreijähriger räumlicher Trennung wegen nachgewiesener einseitiger Zerrüttung der Ehe gemäß den §§ 1565 Abs. 2, 1566 Abs. 1, 1567 BGB die Ehescheidung beantragen kann.
8. Mehrfache persönliche Gespräche und Telefonate der Ehegatten zur Klärung der früheren Auseinandersetzungen auf Initiative des versöhnungswilligen Ehepartners ohne Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft begründen weder eine "Absicht zur Rückkehr" des scheidungswilligen Ehepartners i.S.d. Art. 1148, 1149 iran. ZGB noch einen über die Grenzen des § 1567 Abs. 2 BGB hinausgehenden Versöhnungsversuch.
9. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs als dem iranischen Eherecht fremde Scheidungsfolge mangels Antrages e...