Entscheidungsstichwort (Thema)

Europäischer Hafbefehl, Form

 

Leitsatz (amtlich)

Die förmliche Auslieferungshaft kann auch bei Vorliegen des Europäischen Haftbefehls in Telefaxform angeordnet werden.

 

Normenkette

IRG § 15

 

Tenor

Gegen den Verfolgten wird die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.

 

Gründe

Die polnischen Behörden betreiben gegen den Verfolgten ein Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen Urkundenunterdrückung, Betruges und anderer Delikte.

1.

Der Senat hat durch Beschluss vom 09. Juni 2009 - (2) 4 Ausl A 73/09 (176/09) -, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen wird, die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet (§ 16 IRG).

Nachdem die polnischen Behörden nunmehr den Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts Trzcianka vom 16. Februar 2009 (Aktenzeichen: III Kop 368/08) nebst deutscher Übersetzung im Original übersandt haben, der die Voraussetzungen des § 83a IRG erfüllt, war die förmliche Auslieferungshaft gegen den Verfolgten gemäß § 15 IRG anzuordnen. Hinsichtlich der Einwendungen des Verfolgten aus seiner Anhörung vor dem Amtsgericht Hamm am 01. Juni 2009, er habe zu den in dem Europäischen Haftbefehl in Bezug genommenen Tatzeiten (11. März 2008 und 15. bis 16. März 2008) in Polen Strafhaft verbüßt, hat das Bezirksgericht in Poznan durch Schreiben vom 09. Juni 2009 - eingegangen bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm am 22. Juni 2009 - mittlerweile mitgeteilt, dass es nicht möglich ist, dass der Verfolgte zu den genannten Tatzeiten in Strafhaft verweilte.

Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem dem Europäischen Haftbefehl zugrundeliegenden Urteil (rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Trzcianka vom 11. August 2008 - VI K 126/08 -) um ein Abwesenheitsurteil handelte, hat das Bezirksgericht in Poznan durch das vorgenannte Schreiben vom 09. Juni 2009 ausdrücklich mitgeteilt, dass es sich um ein Abwesenheitsurteil nach Artikel 479 der polnischen Strafprozessordnung gehandelt hat. Deutsche Gerichte haben grundsätzlich das Zustandekommen eines ausländischen Strafurteils, zu dessen Vollstreckung der Verfolgte ausgeliefert werden soll, nicht zu überprüfen ( BVerfG, NJW 1983, 1726; Senatsbeschlüsse vom 17. April 1997 - (2) 4 Ausl. 92/97 (18/97) -, abgedruckt in: NStZ-RR 1997, 242 - 243 mit weiteren Nachweisen und vom 19. Mai 2009 - (2) 4 Ausl A 17/09 (129/09) -). Wenn sich indes Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Urteil in Abwesenheit des Verfolgten ergangen ist, muss geprüft werden, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte mit dem völkerrechtlich verbindlichen, nach Art. 25 GG zu beachtenden Mindeststandard elementarer Verfahrensgerechtigkeit und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind ( BVerfG, NJW 1983, 1726; Senatsbeschluss vom 17. April 1997 - (2) 4 Ausl. 92/97 (18/97) -, abgedruckt in: NStZ-RR 1997, 242 - 243). Nach diesem Mindeststandard verfassungsrechtlicher Garantien muss dem Verfolgten in dem ausländischen Strafverfahren hinreichend rechtliches Gehör gewährt und eine angemessene Verteidigung ermöglicht worden sein (Senatsbeschluss vom 17. April 1997 - (2) 4 Ausl. 92/97 (18/97) -, abgedruckt in: NStZ-RR 1997, 242 - 243; Senatsbeschluss vom 02. Oktober 2002 - 2 WS 327/02 -, jeweils mit weiteren Nachweisen). Voraussetzung hierfür ist, dass der Verfolgte nachweislich von dem gegen ihn konkret geführten Strafverfahren und von anstehenden und zu erwartenden Hauptverhandlungsterminen Kenntnis erhalten hat, auf welchem Weg auch immer (Senatsbeschluss vom 17. April 1997 - (2) 4 Ausl. 92/97 (18/97) -, abgedruckt in: NStZ-RR 1997, 242 - 243 mit weiteren Nachweisen).

Insoweit bestehen keine Bedenken, dass die Auslieferung und ihr zugrundeliegende Akte, insbesondere das vorgenannte Urteil, mit dem völkerrechtlich verbindlichen, nach Art. 25 GG zu beachtenden Mindeststandard elementarer Verfahrensgerechtigkeit und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist, der in § 83 Nr. 3 IRG Niederschlag gefunden hat. Denn der Verfolgte hat von dem letztlich in seiner Abwesenheit geführten Strafverfahren Kenntnis erlangt, was sich aus den Ausführungen in dem Europäischen Haftbefehl ausdrücklich ergibt und worauf das Bezirksgericht in Poznan in seinem Schreiben vom 09. Juni 2009 ebenfalls verweist. Der Verfolgte ist danach ungeachtet seiner persönlich abgeholten Ladung vom 14. Mai 2008 zu den Hauptverhandlungsterminen am 17. Juni, 07. Juli und am 11. August 2008 (Urteilsverkündung) nicht erschienen, nachdem er zuvor am 20. und 21. März 2008 - nach Belehrung - in dieser Sache vernommen worden war.

2.

Zudem haben die polnischen Behörden nunmehr den - weiteren - Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts in Poznan vom 22. Juni 2009 - III Kop 163/09 - bisher lediglich in Telefaxform - übermittelt, dem das seit dem 06. August 2008 rechtskräftige Urteil des Amtsgericht in Pila - II K 439/07 -, mit d...

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