Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentlichkeit. Ausschluss. Terminsverlegung. Aushang. Urteilsverkündung. Revisionsbegründung
Leitsatz (amtlich)
1.
Wenn mit der Verfahrensrüge ein Verstoß gegen den Öffentlichkietsgrundsatz geltend gemacht wird, der darin liegen soll, dass bei Verlegung der Hauptverhandlung am ursprünglichen Sitzungssaal ein Hinweises über die in einem anderen Sitzungssaal fortgesetzte Hauptverhandlung fehlte, muss mitgeteilt werden, aus welchem Grund (jeweils) der Aushang eines Hinweises vor den Sitzungssälen unterblieben ist.
2.
Jedenfalls das Urteil muss auch im Bußgeldverfahren in öffentlicher Sitzung verkündet werden.
3.
Wann bei langer Verfahrensdauer allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Fahrverbot dennoch gerechtfertigt kann, ist eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspieltraum eröffnet.
Normenkette
GVG § 173; StPO §§ 338, 344; BkatV § 4
Verfahrensgang
AG Lüdenscheid (Entscheidung vom 19.03.2009; Aktenzeichen 82 OWi 353/07) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19. März 2009 - 82 OWi 353/07 - wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19. März 2009 - 82 OWi 353/07 - wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 55 km/h (außerorts) in Tateinheit mit fahrlässigem Nichteinhalten des erforderlichen Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug (weniger als 2/10 des halben Tachoabstandes) zu einer Geldbuße in Höhe von 300,00 EUR mit der Gewährung einer Ratenzahlung verurteilt worden. Darüber hinaus ist ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet worden.
Die Hauptverhandlung am 19. März 2009 hatte im Amtsgericht Lüdenscheid zunächst im Sitzungssaal 125 begonnen, vor dem sich ein entsprechender Aushang über die anstehenden Termine befand. Zu diesem Sitzungssaal waren sämtliche Beteiligte auch für 13.00 Uhr geladen worden. Nach der Vernehmung von Zeugen wurde die Sitzung zur Fortsetzung der Beweisaufnahme in Saal E 28 des Amtsgerichts Lüdenscheid fortgeführt. Weder vor diesem Sitzungssaal noch vor dem Saal 125 befand sich ein Aushang bezüglich des fortgesetzten Hauptverhandlungstermins. Nach der Fortsetzung der Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme eines Videobandes, Vernehmung eines weiteren Zeugen und der Gutachtenerstattung des Sachverständigen wurden die Schlussvorträge gehalten. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung wurde diese - nach Aufruf - zur Urteilsverkündung in Saal E 28 fortgesetzt. Während der Sitzungsunterbrechung hatten unter anderem der Betroffene und sein Verteidiger den Sitzungssaal verlassen. Vor dem Saal stellten sie fest, dass die vor dem Saal installierte Lichtzeichenanlage in rotem Licht "Nicht-öffentliche Verhandlung" zeigte. Dieser Umstand wurde dem Amtsrichter erst nach der Urteilsverkündung und der Rechtsmittelbelehrung mitgeteilt.
Über den Ablauf fertigte der Amtsrichter unter dem 23. März 2009 einen Vermerk an, der unter anderem folgenden Inhalt hat:
"(...) Nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung verließen der Betroffene und sein Verteidiger den Verhandlungssaal. Als ich noch dabei war, die Anweisungsvordrucke für Zeugen, Sachverständigen und Dolmetscher zu unterschreiben, kehrte der Verteidiger mit seinem Mandanten in den Sitzungssaal zurück und wies darauf hin, dass außen vor dem Sitzungssaal in rot "nicht öffentliche Sitzung" aufleuchtete.
Ich habe daraufhin den am Richtertisch angebrachten Schalter überprüft. Tatsächlich war der Schalter nach rechts auf "nicht öffentlich" statt nach links auf "öffentlich" eingestellt.
(...)
Tatsächlich bin ich jederzeit davon ausgegangen, dass jedermann die Möglichkeit hatte, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Wenn davon ausgegangen wird, dass während der Hauptverhandlung außen vor dem Verhandlungssaal in rotem Licht "nicht öffentliche Sitzung" aufleuchtete, so handelt es sich um eine Fehleinstellung, die von mir übersehen worden ist. Bis nach der Urteilsverkündung habe ich keinen Hinweis von Personen, die sich zwischenzeitlich außerhalb des Verhandlungssaales aufgehalten haben, erhalten, dass dort der Schriftzug "nicht öffentlich" aufleuchten würde. Zu erwähnen ist, dass Betroffener und Verteidiger vor der Urteilsverkündung einige Minuten außerhalb des Verhandlungssaals verbracht haben und dort die Leuchtschrift "nicht öffentlich" gegebenenfalls hätten wahrnehmen können. Jedenfalls haben sie bei Wiedereintritt zur Urteilsverkündung hierauf nicht hingewiesen."
Gegen das Urteil, das seinem Verteidiger am 03. April 2009 zugestellt wurde, hat der Betroffene durch anwaltlichen Schriftsatz vom 23. März 2009 - eingegangen bei dem Amtsgericht per Telefax am selben Tag - Rechtsbeschwerde eingelegt. Diese hat er durch weiteren anwaltlichen Schriftsatz vom 04. Mai 2009 - eingegangen per Telefax bei dem Amtsgericht am selben Tage - be...