Verfahrensgang
AG Siegen (Aktenzeichen 431 OWi 75/14) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Siegen hat den Betroffenen wegen fahrlässiger verbotswidriger Benutzung des Mobil- oder Autotelefons als Führer eines Kraftfahrzeuges zu einer Geldbuße von 40 € verurteilt.
Es hat festgestellt:
"Am 05.01.2014 um 15:05 Uhr befuhr der Betroffene mit einem Taxi der Marke VW, Kennzeichen ##- ## ###, die X Straße in T. Währenddessen benutzte er als Führer eines Kraftfahrzeuges verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem er per Druck auf einen entsprechenden Knopf seines Inohr-Headsets das Gespräch annahm und das Inohr-Headset, dessen Halterung defekt war, mit der Hand an sein Ohr hielt, um zu telefonieren."
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, das Amtsgericht weiche von obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Das von dem Betroffenen verwendete Inohr-Headset sei kein Mobil- oder Autotelefon im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Durch Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter wird die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zugelassen und die Sache nach § 80a Abs. 3 OWiG auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Zur Frage, ob die Benutzung eines Inohr-Headsets, welches anstelle eines Mobiltelefons oder Hörers eines Autotelefons benutzt und während der Fahrt gehalten wird, die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1a StVO erfüllt, existiert - soweit ersichtlich - noch keine obergerichtliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm. Der Fall bietet Anlass, die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts in einer für die nachgeordneten Gerichte richtungsgebenden Weise zum Ausdruck zu bringen.
III.
Die (auch im Übrigen) zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zum Freispruch.
Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, Sinn und Zweck der Regelung des § 23 Abs. 1a StVO sei, dass Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobil- oder Autotelefons beide Hände zur Bewältigung ihrer eigentlichen Fahraufgabe frei hätten. Das bei dem Betroffenen festgestellte und ihm zur Last gelegte Verhalten widerspräche jedoch diesem Sinn und Zweck, da er, wenn er per Druck auf einen entsprechenden Knopf seines Inohr-Headsets das Gespräch annehme und dieses mit der Hand an sein Ohr halte, hierbei seine Hände zur Bewältigung der eigentlichen Fahraufgabe nicht frei habe. Auch wenn der Betroffenen nicht das Mobiltelefon selbst, sondern lediglich das damit verbundene Inohr-Headset gehalten habe, komme dem Headset vorliegend jedoch die Funktion eines Telefonhörers zu. Da der Betroffene mittels des Headsets ein Telefonat angenommen habe, weise die Verwendung des Headsets einen unmittelbaren Bezug zu einer der Funktionstasten des Mobiltelefons auf. Dies sei entgegen des Beschlusses des OLG Bamberg (Beschluss vom 5.11.2007, Az. 3 Ss Owi 744/07 - zitiert nach [...]) auch mit dem Wortsinn des § 21 Abs. 1a StVO (gemeint ist wohl § 23 Abs. 1a StVO) deshalb vereinbar und auch für den Bürger eindeutig erkennbar, da aus dem Wortlaut der Norm klar hervorgehe, dass ein Fahrzeugführer während der Fahrt oder bei laufendem Motor ein Mobil- oder Autotelefon nicht in den Händen halten dürfe, um dieses zu benutzen. Auch sei für den Bürger erkennbar, dass er während des Betriebs des Fahrzeugs bei laufendem Motor beide Hände für die Bewältigung der Verkehrsvorgänge zur Verfügung haben solle.
Die dem Schuldspruch zugrunde liegende Normauslegung des Amtsgerichts ist mit § 23 Abs. 1a StVO nicht vereinbar, weil sie dessen Wortlaut auch unter Berücksichtigung der nach dem Wortsinn denkbaren Auslegungsmöglichkeiten nicht gerecht wird.
Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Strafgesetzgeber ebenso wie den Gesetzgeber in Ordnungswidrigkeitensachen (BVerfG NJW 2005, 349), die Voraussetzungen der Sanktionierung so genau zu umschreiben, dass sich Tragweite und Anwendungsbereich der Norm durch Auslegung ermitteln lassen. Auch in Grenzfällen, die wegen der Vielgestaltigkeit des Lebens gerade im Bereich technischer Neuentwicklungen unvermeidlich sind, muss für den Normadressaten das Risiko einer bußgeldrechtlichen Ahndung wenigstens voraussehbar sein. Dafür maßgeblich ist in erster Linie der für den Normadressaten aus dessen Sicht erkennbare und verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Sanktionstatbestandes (ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 64, 389, 393).
Diesen Wortlaut, der auch bei erweiternder Auslegung die äußerste Grenze zur verbotenen Analogie darstellt, h...