Leitsatz (amtlich)
›Das tatrichterliche Urteil, mit dem die Berufung des Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO verworfen wird, muß sich, wenn ausweislich des Protokolls in der Hauptverhandlung ärztliche Bescheinigungen verlesen worden sind, mit diesen inhaltlich auseinandersetzen. Liegen aufgrund ärztlicher Bescheinigungen konkrete Anhaltspunkte für Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit des Angeklagten vor, muß das Tatgericht diesen nachgehen.‹
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 4 Ns 53 Js 483/97) |
Gründe
I.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Herne vom 25. Juni 1997 ist die Angeklagte wegen Betruges zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 20,- DM verurteilt worden. Nach rechtzeitig eingelegtem Einspruch hat das Amtsgericht Herne diesen wegen Nichterscheinens der Angeklagten gemäß § 412 StPO verworfen. Gegen das am 18. Dezember 1997 in Abwesenheit verkündete Verwerfungsurteil hat die Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Im Berufungshauptverhandlungstermin vom 5. Februar 1998 sind weder die Angeklagte noch der Verteidiger erschienen. Daraufhin hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum die Berufung der Angeklagten - formularmäßig - verworfen. In den Urteilsgründen heißt es im einzelnen:
"Die Angeklagte hat gegen das Urteil vom 18. 12. 1997 zwar rechtzeitig Berufung eingelegt, ist aber in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung, ungeachtet der nachgewiesenen Ladung, ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden.
Die eingelegte Berufung war daher nach § 329 der Strafprozeßordnung zu verwerfen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 473 der Strafprozeßordnung."
Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit der Revision, mit der sie die Verletzung formellen Rechts rügt. Dazu trägt sie im wesentlichen vor, die Hauptverhandlung habe nicht in ihrer Abwesenheit durchgeführt werden dürfen, weil sie durch Einreichung von Attesten, die ihr Ehemann am Terminstag dem Gericht vorgelegt habe, krankheitsbedingt entschuldigt gewesen sei.
II.
Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Die Revision ist rechtzeitig eingelegt und fristgerecht in noch zulässiger Weise begründet worden.
Wird mit der Revision gegen ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass der Angeklagte nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 329 Rdnr. 48; OLG Köln StV 89, 53 m. w. N.). An die Zulässigkeit dieser Verfahrensrügen werden keine strengen Anforderungen gestellt (OLG Köln, a.a.O.), zumal das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die in der Revisionsbegründung nicht wiederholt zu werden brauchen (vgl. OLG Brandenburg NStZ 1996, 249; OLG Düsseldorf StV 84, 148), gebunden ist.
Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Zwar fehlen Revisionsanträge in der vorbezeichnet vorgeschriebenen Form, dies ist aber unschädlich, da das Ziel des Rechtsmittels, die Aufhebung des angefochtenen Urteils, zweifelsfrei, erkennbar ist.
2.
Die somit zulässig mit der Verfahrensrüge begründete Revision hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
a)
Die Revision der Angeklagten hat zunächst schon deshalb Erfolg, weil die - formularmäßige - Begründung des angefochtenen Urteils aus Rechtsgründen zu beanstanden ist. Sie genügt nämlich nicht den von der Rechtsprechung an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenen Verwerfungsurteils zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu u. a. Senatsbeschluss vom 8. April 1998 in 2 Ss 394/98 = StrafFO 1998, 223; Senatsbeschluss vom 26. Februar 1999 in 2 Ss 121/99; siehe auch schon u. a. OLG Hamm NJW 1963, 65; KG StV 1987, 11 und Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 33). Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte, die derjenigen des erkennenden Senats entspricht, muss das nach § 329 Abs. 1 StPO ergangene Urteil so begründet sein, dass das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann. Namentlich müssen vorgebrachte Entschuldigungsgründe und als Entschuldigung in Betracht kommende Tatsachen wiedergegeben und gewürdigt werden. Dies folgt schon daraus, dass das Revisionsgericht bei der Prüfung der Frage, ob das Berufungsgericht die in § 329 StPO enthaltenen Rechtsbegriffe verkannt hat, an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden ist. Es darf sie weder in Frage stellen noch im Freibeweisverfahren ergänzen (vgl. BGHSt 28, 384).Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Obwohl der kleinen Strafkammer ausweislich des Sitzungsprotokolls ärztliche Bescheinigungen - die verlesen wurden - über den Gesundheitszustand der Angeklagten vorgelegen haben, hat sie sich mit diesen inhaltlich i...