Leitsatz (amtlich)
Eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 I Nr. 3 ZPO ist auch für die Bestimmung des zuständigen Mahngerichts zulässig. Zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für ein Mahnverfahren gegen einen in der Schweiz wohnenden Antragsgegner.
Normenkette
ZPO §§ 12, 17, 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 689, 703d; LugÜ Art. 5
Verfahrensgang
Tenor
Zu dem für das Mahnverfahren zuständigen Gericht wird das AG C bestimmt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in L. Sie beabsichtigt, die Antragsgegner als Gesamtschuldner aus einem Vertrag über die Lieferung von Strom an eine Verbrauchsstelle in C2 in Anspruch zu nehmen.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist in der Schweiz wohnhaft, der Antragsgegner zu 2) wohnt in C2.
Die Antragstellerin beantragt die Bestimmung des zuständigen Mahngerichts.
II.1. Das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist eröffnet. Eine Gerichtsstandsbestimmung ist auch für die Bestimmung des zuständigen Mahngerichts möglich. § 36 Abs. 1 ZPO ist allgemein nicht nur auf gerichtliche Klageverfahren beschränkt, sondern auf jedes der ZPO unterliegende Verfahren und auch das Mahnverfahren anwendbar (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 36 ZPO Rn. 2 m.w.N.). Es entspricht zudem den § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zugrundeliegenden Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, schon für das Mahnverfahren ein gemeinsames Gericht zu bestimmen (vgl. KG, Beschluss vom 05.01.2005 - 28 AR 103/04, juris Rn. 3).
2. Die deutschen Gerichte sind - auch für das Mahnverfahren gegen die Antragsgegnerin zu 1) - gem. Art. 5 Nr. 1 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (LugÜ) international zuständig.
a) Auf das Mahnverfahren für die in der Schweiz wohnhafte Antragsgegnerin zu 1) findet das Luganer Übereinkommen Anwendung.
Das Übereinkommen gilt nicht nur für Klagen, sondern auch für das Mahnverfahren (vgl. Art. 32 LugÜ; Dörndorfer in: BeckOK ZPO, 24. Ed. 1.3.2017, ZPO § 703d Rn. 1; Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 1).
Sein persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich ist eröffnet (vgl. Art. 1 LugÜ II).
b) Es ist weder eine ausschließliche Zuständigkeit gem. Art. 22 LugÜ gegeben noch folgt aus dem Vorbringen der Antragstellerin ein besonderer Gerichtsstand.
c) Die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 LugÜ liegen vor. Danach kann eine Person in dem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Dabei ist der Erfüllungsort der Verpflichtung für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Verkauf von Strom, der eine bewegliche Sache darstellt (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 29.09.2011 - 12 U 112/11, juris Rn. 15) und der vertragsgemäß hier zu einer Abnahmestelle in C2 geliefert worden ist.
3. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung für das Bestimmungsverfahren zuständig. Für den allgemeinen Gerichtsstand des Antragsgegners zu 2) ist das AG C2 zuständig, der allgemeine Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 1) liegt in der Schweiz, so dass ein gemeinsam zuständiges Oberlandesgericht im Inland nicht gegeben ist. Bei zweckentsprechender Auslegung der Vorschrift ist zu der Bestimmung das Oberlandesgericht berufen, in dessen Bezirk das zunächst mit der Sache befasste Gericht liegt. Zunächst mit der Sache befasst war das AG I.
4. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die Antragsgegner sollen als Gesamtschuldner auf Zahlung in Anspruch genommen werden und sind damit Streitgenossen im Sinne der weit auszulegenden §§ 59, 60 ZPO.
b) Ein gemeinsamer Gerichtsstand steht nicht fest.
aa) Für das Mahnverfahren gegen die Antragsgegnerin zu 1) ist gem. § 703 Abs. 2 S. 1 ZPO allein das AG C zuständig.
Hat der Antragsgegner seinen Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat des LugÜ bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dessen Regelungen (vgl. Schüler in: MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 703d ZPO Rn. 10, beck-online). § 689 Abs. 2 S. 1 ZPO ist dagegen nicht anwendbar (Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 1 und 4; Dörndorfer in: BeckOK ZPO, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 1, beck-online). Landesrechtliche Konzentrationen der Mahnsachen bei einem Gericht sind gem. § 703d Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 689 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigen (Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 4), wobei eine Zuständigkeitskonzentration die Auslandsmahnverfahren nach § 703d ZPO erfasst, wenn deren Ausschluss durch den Verordnungsgeber nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist (BGH, Beschluss vom 14.07.1993 - X ARZ 461/93, NJW 1993, 2752, beck-online).
Nach den obigen Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit ist gem. Art. 5 ...