Entscheidungsstichwort (Thema)
bestimmte Behauptung von Verfahrenstatsachen. Verfahrensrügen. Protokoll. Ablehnungsgesuch. Rechtzeitigkeit. Glaubhaftmachung. unverzüglich. Beweiswürdigung. lückenhaft. Geschwindigkeitsfeststellung. Geschwindigkeitsmessung. Nachfahren. Sicherheitsabschlag
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Formulierung in der Revisionsbegründung wie "ausweislich des Protokolls" kann ernsthafte Zweifel an der bestimmten Behauptung der einem geltend gemachten Verfahrensfehler zu Grunde liegenden Tatsachen aufkommen lassen.
2. Im Ablehnungsverfahren nach §§ 24 ff. StPO geht das Gebot der Unverzüglichkeit dem Gebot der Glaubhaftmachung vor. Wenn dem Antragsteller die grundsätzlich notwendige Beibringung einer schriftlichen Erklärung eines Zeugen nicht möglich ist, sei es, dass ihm der Zeuge die schriftliche Bestätigung verweigert, sei es, dass er ihn nicht unverzüglich erreichen kann und er wenigstens dies glaubhaft macht, genügt die Bezugnahme auf das Zeugnis.
3. Zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung in den Urteilsgründen bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren.
Normenkette
StPO § 344 Abs. 2, § 25 Abs. 2 Nr. 2, § 261; FeV § 4; StVG § 21; StPO §§ 26a, 338 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 03 Ns 178/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Paderborn hat den vielfach (auch einschlägig) vorbestraften Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 20.08.2015 eine öffentliche Straße in Q mit einem Kleinkraftrad mit einer Geschwindigkeit von "ca. 50 km/h". Mangels Fahrerlaubnis sei er zum Führen eines solchen Kleinkraftrades, dessen Höchstgeschwindigkeit mehr als 25 km/h beträgt, nicht berechtigt gewesen. Angesichts der wesentlichen Überschreitung der "erlaubten Höchstgeschwindigkeit" habe er erkennen können, dass es sich um ein erlaubnispflichtiges Kleinkraftrad gehandelt habe.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und erhebt zudem Verfahrensrügen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).
1.
Mit seinen Verfahrensrügen dringt der Angeklagte nicht durch.
a) Soweit in den Ausführungen der Revision im Schriftsatz vom 20.04.2017 eine Aufklärungsrüge im Hinblick auf eine fehlende Aufklärung der Verkehrsverhältnisse zum Tatzeitpunkt am Tatort zu erblicken sein könnte, ist dieser Teil der Revisionsbegründung nicht mehr fristgerecht angebracht worden. Die Revisionsbegründungsfrist gem. § 345 Abs. 1 StPO endete am 18.04.2017.
b) Soweit mit Schriftsatz vom 18.04.2017 eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird, entspricht diese Rüge nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen Verfahrensrügen in bestimmter Form erhoben und durch Angabe der den vorgeblichen Mangel enthaltenden Tatsachen begründet werden. Zwar kann eine Formulierung wie beispielsweise "ausweislich des Protokolls" im Revisionsvorbringen auch nur als ein Hinweis auf das geeignete Beweismittel zu verstehen sein, ohne dass dadurch die Ernsthaftigkeit der Tatsachenbehauptung selbst in Frage gestellt wird (vgl. nur: BGH, Beschl. v. 13.07. 2011 - 4 StR 181/11 - [...]). So verhält es sich hier aber gerade nicht. Während der Verfahrensablauf in der Rügebegründung bis zur Verlesung der Stellungnahme des abgelehnten Schöffen ohne Zusätze geschildert und damit zweifelsohne bestimmt behauptet wird, wird das Folgegeschehen, nämlich dass lediglich die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hätten, der Angeklagte hingegen nicht, mehrfach mit dem Zusatz "ausweislich des Sitzungsprotokolls" versehen. Diese Differenzierung in der Formulierung lässt durchgreifende Zweifel aufkommen, dass das letztgenannte Geschehen bestimmt behauptet werden soll. Hinzu kommt, dass - was für eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erforderlich wäre - die Revision nicht mitteilt, was der Angeklagte selbst im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht hätte (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.12.2016 - 4 RBs 291/15 - [...] m.w.N.).
c) Die Rüge der fehlerhaften Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs gegen den Schöffen M. (§ 338 Nr. 3 StPO) ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat überprüft diese Rüge nach Beschwerdegesichtspunkten.
Der Rüge liegt - soweit für die vorliegende Entscheidung re...