Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschrift. Urteilsgründe. Hauptverhandlungsprotokoll
Leitsatz (amtlich)
Die Unterschrift des allein entscheidenden Richters unter dem Protokoll der Hauptverhandlung reicht als Unterschrift im Sinne des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO (i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG) aus, wenn das Urteil vollständig mit Gründen in das Protokoll aufgenommen worden ist. Eine gesonderte Unterschrift unter den Urteilsgründen ist dann nicht erforderlich.
Normenkette
StPO § 275 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 39 OWi 1011/12) |
Tenor
Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Der Oberbürgermeister der Stadt C erließ gegen den Betroffenen am
7. November 2011 einen Bußgeldbescheid. Er setzte wegen des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h eine Geldbuße von 160,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot fest.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Juni 2012 verwarf das Amtsgericht Bielefeld den Einspruch des Betroffenen gemäß § 74 Abs. 2 OWiG, weil der Betroffene im Termin zur Hauptverhandlung am 27. Juni 2012 ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Die Urteilsgründe lauten:
"Der Betroffene, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Termin nicht entbunden wurde, ist in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben. Die von dem Betroffenen vorgetragenen Gründe, nämlich die berufliche Einbindung, sind keine genügende Entschuldigung, weil diese nicht nachvollziehbar dargelegt wurden. Der Einspruch ist daher nach § 74 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verworfen worden. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 109 OWiG."
Das Urteil ist mit den Gründen in vollem Umfang in das Protokoll aufgenommen worden. Unmittelbar auf die Urteilsgründe folgt der Vermerk:
"Das Protokoll wurde fertiggestellt am 27.06.2012." Unterhalb des Vermerks haben links die Vorsitzende und rechts der Protokollführer unterschrieben. Eine gesonderte Unterschrift unmittelbar unterhalb der Urteilsgründe enthält das Urteil nicht.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Juli 2012, beim Amtsgericht eingegangen am selben Tage, hat der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt. Die Rechtsbeschwerde begründete er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 9. August 2012 und rügte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Verwerfungsurteil habe nicht ergehen dürfen, da der Betroffene sein Ausbleiben im Termin hinreichend entschuldigt habe. Er sei aus dringenden beruflichen Gründen verhindert gewesen. Auch sei das Urteil selbst mit keinerlei Begründung versehen, sondern lediglich mit einer "pauschalen Formulierung".
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht
Bielefeld zurückzuverweisen. Das Urteil unterliege bereits deshalb der Aufhebung, weil es nicht unterschrieben sei. Die Unterschrift unter dem Protokoll reiche nicht aus. Im Übrigen genüge die Urteilsbegründung aber auch nicht den Anforderungen, die an den notwendigen Inhalt eines Verwerfungsurteils gemäß § 74 Abs. 2 OWiG zu stellen seien. Die Urteilsgründe seien so knapp gefasst, dass es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich sei, die Gesetzmäßigkeit des Urteils zu überprüfen.
II.
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden, weil es gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen. Der vorliegende Einzelfall gibt Anlass, die Frage zu klären, ob die Unterzeichnung des Protokolls, in das das Urteil nach § 275 Abs. 1 S. 1 StPO vollständig aufgenommen
worden ist, die Unterschrift unter das Urteil nach § 275 Abs. 2 S. 1 StPO einschließt.
Die Übertragung der Sache beruht auf einer Entscheidung des Einzelrichters gemäß § 80a Abs. 1 OWiG.
III.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg:
1. Das Urteil ist zunächst auf die Sachrüge des Betroffenen hin zu prüfen. Die Erklärung des Betroffenen, das Urteil sei mit keinerlei Begründung versehen, ist so zu verstehen, dass die Rechtsbeschwerde (auch) auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützt werden soll. Doch enthält das Urteil insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO):
Auf die Sachrüge hin wäre zwar der Mangel zu beachten, dass das Urteil keine Unterschrift trägt. Dieser Umstand steht dem Nichtvorhandensein der schriftlichen Urteilsgründe gleich (BGHSt 46, 204; Senat NStZ 2011, S. 238). Ein solcher Mangel liegt hier aber nicht vor. Die Unterschrift der allein entscheidenden Vorsitzenden unter dem Protokoll der Hauptverhandlung reicht als Unterschrift im Sinne des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO (i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG) aus, wenn das...