Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafzumessung. kurzzeitige Freiheitsstrafe. Betäubungsmittel. Wirkstoffgehalt. geringe Menge
Leitsatz (amtlich)
1.) Auch beim Besitz einer geringen Menge Betäubungsmittel zum Eigengebrauch (29 Abs. 5 BtMG) kommt bei einem mehrfach vorbestraften, hafterfahrenen und zum Tatzeitpunkt unter Bewährung stehenden Täter die Verhängung einer Freiheitsstrafe oberhalb des gesetzlichen Mindestmaßes vor einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) in Betracht.
2.) Eine schematische Strafzumessung ist dem Strafrecht fremd.
3.) Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden aber maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge. Von der Feststellung der Wirkstoffmenge kann nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehalts das Strafmaß zu Gunsten des Angeklagten hätte beeinflussen können.
Normenkette
StGB §§ 38, 46; BtMG § 29 Abs. 5
Verfahrensgang
AG Brakel (Aktenzeichen 11 Ds 72/18) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere als Strafrichter zuständige Abteilung des Amtsgerichts Brakel zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts trug er am 23.11.2017 bei der Durchsuchung seiner Wohnung in C E drei Ecstasy Tabletten bei sich, ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Aus den Strafzumessungserwägungen ergibt sich weiter, dass diese zum Eigenkonsum gedacht waren.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere rügt er, dass das Amtsgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels getroffen habe und dass bei erfolgter Feststellung die Strafe womöglich günstiger ausgefallen wäre.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat im Rechtsfolgenausspruch auf die Sachrüge hin Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere als Strafrichter zuständige Abteilung des Amtsgerichts Brakel (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO). Die weitergehende Revision ist hingegen offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO. Anders als die Verteidigung im Schriftsatz vom 07.11.2018 meint, begegnet die Annahme des Amtsgerichts, dass hier überhaupt Betäubungsmittel vorliegen, in materiellrechtlicher Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken.
Die Strafzumessung im angefochtenen Urteil weist aber einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht ist ausgeschlossen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, namentlich das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht lassen oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit nach oben oder unten löst, dass ein grobes Missverhältnis von Schuld und Strafe offenkundig ist. Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. In Zweifelsfällen hat das Revisionsgericht die Wertung des Tatgerichts hinzunehmen (vgl. nur: BGH, Urt. v. 14.03.2018 - 2 StR 416/16 - juris m.w.N.). Auch lückenhafte Strafzumessungerwägungen können einen Rechtsfehler begründen (vgl. BGH a.a.O.).
Hier sind die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts lückenhaft, weil sie wesentliche, die Strafzumessung bestimmende Umstände (vgl. § 267 Abs. 3 S. 1 StPO) außer Acht lassen.
Die Strafzumessung des Amtsgerichts leidet allerdings nicht bereits deswegen an einem den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler, weil es sich nicht mit der Möglichkeit eines Absehens von Strafe gem. § 29 Abs. 5 BtMG auseinandersetzt. Das Amtsgericht hat keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der drei Ecstasy-Tabletten getroffen. Da es sich nur um drei Tabletten handelte, liegt es aber nahe, dass es sich um eine geringe Menge i.S.v. § 29 Abs. 5 BtMG gehandelt hat (zu den Grenzwerten vgl. etwa: Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rdn. 2124). Angesichts der im angefochtenen Urteil mitgeteilten strafschärfenden Umstände, namentlich, dass der Angeklagte mehrfach (wenn auch nicht einschlägig) vorbestraft ist, bereits Freiheitsstrafe verbüßt hat und er zum Tatzeitpunkt in fünf Verfahren unter laufender Bewährung stand und das Amtsgericht zutreffend unter Anwendung des § 47 StGB eine kurzzeitige Freiheitsstrafe für unerlässlich gehalten hat, kann der Senat ...