Leitsatz (amtlich)
1. Eine unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses i.S.v. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt vor, wenn der Beteiligte vorsätzlich falsche Tatsachen behauptet oder wahre Tatsachen verschwiegen hat und das Gericht infolgedessen die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung bejaht oder deren Mutwilligkeit nicht erkannt hat. Gleiches gilt, sofern der Beteiligte seinen Vortrag nicht berichtigt, obwohl dies geboten war.
2. Begehrt ein Ehegatte nach der Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings den Ausgleich seiner steuerlichen Nachteile mit der Behauptung, der andere Ehegatte habe den Sonderausgabenabzug in dem betreffenden Jahr in Anspruch genommen, obwohl dieser ausweislich des parallel laufenden Unterhaltsabänderungsverfahrens der Beteiligten seit geraumer Zeit nur noch über geringe Einkünfte verfügt hat, wird das Streitverhältnis mit bedingtem Vorsatz falsch dargestellt.
3. Dies gilt auch dann, wenn der Ehegatte für das betreffende Jahr wegen der von dem Finanzamt zu Unrecht unterstellten Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings zu einer Steuernachzahlung verpflichtet wird und der Ehegatte dies hinnimmt.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 2; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Brakel (Beschluss vom 22.07.2015; Aktenzeichen 2 F 86/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 30.07.2015 gegen den am 22.07.2015 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Brakel wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind seit dem ... 2004 rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Die Trennung der Beteiligten war bereits im Juli 2002 erfolgt.
Mit Urteil vom 05.06.2008 verpflichtete das AG - Familiengericht - Brakel den Antragsgegner, an die Antragstellerin einen nachehelichen Unterhalt i.H.v. 639,00 EUR monatlich zu zahlen (Aktenzeichen: AG Brakel, 2 F 252/07). Zu diesem Zeitpunkt erzielte der Antragsgegner u.a. noch Einkünfte aus einer nicht selbständigen Arbeit. Das Arbeitsverhältnis endete spätestens zum 31.01.2011. Der Antragsgegner erhielt im Jahr 2011 aufgrund eines Abfindungsvergleichs im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht eine Abfindung in Höhe von 40.000 EUR brutto. In der Folgezeit übte er eine selbständige Tätigkeit aus.
In der Vergangenheit machte der Antragsgegner den pro Jahr gezahlten Ehegattenunterhalt im Wege des begrenzten Realsplittings als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben steuerlich geltend. Die Antragstellerin versteuerte im Gegenzug den bezogenen Ehegattenunterhalt als Einkommen. Mit Antragschrift vom 21.08.2013 begehrte der Antragsgegner die Abänderung des genannten Urteils dahingehend, ab dem 01.06.2013 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Zur Begründung wies er auf sein seit 2011 kontinuierlich gesunkenes Einkommen hin. Er legte bereits mit der Antragschrift den Steuerbescheid vom 24.07.2013 für das Jahr 2012 mit einem ausgewiesenen Gesamtjahreseinkommen in Höhe von 5.430 EUR aus Gewerbebetrieb und Kapital vor. Auf die in dem Verfahren ebenfalls überreichten Steuerbescheide vom 12.02.2013 für das Jahr 2010, vom 12.09.2012 für das Jahr 2011 und vom 11.06.2014 für das Jahr 2013, letzterer überreicht mit Schriftsatz vom 17.06.2014, wird Bezug genommen. Den jeweils gezahlten nachehelichen Unterhalt machte der Antragsgegner ausweislich der Steuerbescheide letztmalig im Jahr 2011 als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben geltend. Mit am 26.09.2014 erlassenen Beschluss wies das Familiengericht in Brakel den Abänderungsantrag des Antragsgegners zurück, weil dem Antragsgegner weiterhin das in seiner früheren abhängigen Beschäftigung erzielte Einkommen fiktiv zuzurechnen sei. Der seinerzeitige Arbeitsplatzverlust sei dem Antragsgegner unterhaltsrechtlich vorwerfbar. Jedenfalls hätte sich der Antragsgegner unter Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit wieder um eine entsprechend entlohnte abhängige Beschäftigung bemühen müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss des Familiengerichts Bezug genommen (Aktenzeichen: AG Brakel, 2 F 88/13). Mit am 04.03.2015 erlassenen Beschluss verwarf der Senat die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig (Aktenzeichen: OLG Hamm, 2 UF 207/14). Der (verspäteten) Beschwerdebegründung war der Steuerbescheid des Finanzamts Paderborn vom 19.11.2014 für das Jahr 2013 beigefügt, der den Bescheid vom 11.06.2014 abänderte und das zu versteuernde Einkommen des Antragsgegners auf 2.939 EUR festsetzte. Dieser Schriftsatz nebst Anlagen ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 18.12.2014 zugestellt worden.
Auch für das Jahr 2013 stimmte die Antragstellerin der Durchführung des begrenzten Realsplittings durch die Unterzeichnung der sog. Anlage U ausdrücklich zu. Für das Jahr 2013 leistete sie ausweislich des Steuerbescheides vom 02.09.2014 an das Finanzamt Höxter eine Steuernachzahlung in Höhe von 1.579,72 EUR, weil sich ihr steuerpflichtiges Einkommen um die Unterhaltszahlungen des Antragsgegners in Höhe von 7.668,00 EUR a...