Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der wirksamen Errichtung eines Ehegattentestaments und dessen gemeinsamer Widerruf
Leitsatz (amtlich)
Daraus, dass ein vorgelegtes Testament nicht den Anforderungen der §§ 2247, 2267 BGB genügt, weil die Unterschriften fehlen, folgt nicht zwingend, dass das Testament ungültig ist, wenn ein ehemals formgerechte Testamentserrichtung zuverlässig nachgewiesen werden kann. Auch wenn an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind, kann im Einzelfall schon das äußere Erscheinungsbild dafür sprechen, dass ursprünglich ein wirksames Testament vorgelegen hat, bei dem die Unterschriften offensichtlich nachträglich abgeschnitten worden sind.
Die Feststellungslast für den Widerruf eines Testaments trifft im Erbscheinsverfahren denjenigen, der sich auf die Ungültigkeit des Testaments zur Begründung seines Erbrechts beruft. Das gilt auch für den gemeinsamen Widerruf eines Ehegattentestaments.
An den Nachweis eines zur Anfechtung des Testaments gem. § 2078 Abs. 2 BGB berechtigenden Motivirrtums sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Vortrag, der Erblasser, der seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt hatte, sei bei Testamentserrichtung davon ausgegangen, dass seine Ehefrau nicht bei intakter Ehe aus der Ehewohnung ausziehen werde, reicht nicht aus, wenn sich nicht feststellen lässt, das die Vorstellung des Erblassers in Bezug auf die eheliche Treue der Ehefrau das bestimmende Motiv für die Erbeinsetzung gewesen ist. Daran können Zweifel bestehen, wenn der Erblasser selbst während der Ehezeit außereheliche Beziehungen mit anderen Frauen gehabt hat.
Normenkette
BGB § 2078
Verfahrensgang
AG Arnsberg (Aktenzeichen 11 VI 44/17) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 647.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist die Witwe des am 00.00.1959 geborenen und am 00.00.2016 verstorbenen Erblassers. Die Antragsgegner sind dessen Brüder. Die Beteiligte zu 4) ist eine Nichte der Antragstellerin.
Die Antragstellerin ging Anfang 2016 eine außereheliche Beziehung ein, trennte sich im Spätsommer 2016 von dem Erblasser und zog aus der gemeinsamen Ehewohnung aus. Ein Scheidungsverfahren wurde von keinem der Eheleute eingeleitet. Am 19.12.2016 ließ der Erblasser ein notarielles Testament beurkunden, in dem er die Beteiligte zu 4), bei der es sich um die Tochter der Schwester der Antragstellerin, Frau X A, handelt, zu 1/2 und die beiden Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/4 zu Miterben einsetzte. In der Vorbemerkung des notariellen Testaments heißt es:
"In der freien Verfügung über mein Vermögen bin ich in keiner Weise beschränkt, weder durch einen Erbvertrag noch durch ein gemeinschaftliches Testament. Vorsorglich widerrufe ich alle etwa vorhandenen früheren Verfügungen von Todes wegen."
Eine Woche nach Errichtung dieses Testaments beging der Erblasser Suizid. In einem von ihm hinterlassenen Abschiedsbrief heißt es u.a.:
"Ich weiß auch nicht mehr, ob das mit dem Testament eine gute Idee war."
Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.01.2017 machte die Antragstellerin zunächst Pflichtteilsansprüche geltend. Zum Nachlass des Erblassers gehören unter anderem das Elternhaus der Antragstellerin in B, das sie dem Erblasser im Jahr 2014 übertragen hatte, sowie zwei weitere Immobilien, die ursprünglich aus der Familie der Antragstellerin stammten.
Aus dem in der vormaligen Ehewohnung befindlichen Tresor entnahm die Antragstellerin Anfang Januar ein handschriftlich verfasstes Schriftstück, in dem es heißt:
"Testament von C und D Y! Im Falle meines Todes, setze ich D Y meinen Mann, C Y zu meinem alleinigen Erben ein. Im Falle meines Todes, setze ich C Y meine Frau, D Y zu meinem alleinigen Erben ein."
Im unteren Bereich des Schriftstückes ist ein Teil abgeschnitten. Dort ist noch der Anfangsbuchstabe "Buchstabe01" einer Unterschrift sichtbar. Das Datum in der Kopfzeile ist unkenntlich gemacht worden. Quer über den Text ist eine diagonale Linie gezogen mit dem Bemerken "Ungültig".
Die Antragstellerin hat unter dem 18.01.2017 auf der Grundlage dieses von ihr aufgefundenen Schriftstückes die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Dazu hat sie vorgetragen, bei dem Schriftstück handele es sich um das gemeinsam mit dem Erblasser errichtete Testament. Der Erblasser habe auf dieses Testament ohne ihre Beteiligung den Vermerk "ungültig" gesetzt und eigenmächtig die Unterschriften abgeschnitten. Damit sei sie nicht einverstanden gewesen. Sie sei aus der Ehewohnung ausgezogen, weil der Erblasser unter psychischen Problemen gelitten habe und im Verlauf des Jahres 2016 immer gewaltbereiter geworden sei. Der Auszug sei mit dem Erblasser abgesprochen gewesen. Von einer Ehescheidung sei nicht die Rede gewesen. Sie sei auch nicht aus einer intakten Ehe ausgebrochen.
Die ...