Leitsatz (amtlich)
Erklären sich zwei Gerichte vor der Zustellung der Klageschrift für "unzuständig", ist für eine Gerichtsstandbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO regelmäßig kein Raum, insbesondere dann nicht, wenn dem Kläger ein Wahlrecht gem. § 35 ZPO zusteht, das erst mit Eintritt der Rechtshängigkeit verbindlich ausgeübt wird.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 436 C 7397/18) |
Tenor
Eine Zuständigkeitsbestimmung wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgelehnt. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 07.12.2018 wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachbehandlung an das Amtsgericht Dortmund zurückgegeben.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner vor dem Amtsgericht Dortmund auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.910,- EUR nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am XX.XX.2018 auf der A 1 im Bezirk des Amtsgerichts Münster ereignete. Der Beklagte zu 1) ist Fahrer und Halter des gegnerischen Fahrzeugs, das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.
Nach Eingang der Klageschrift hat das Amtsgericht Dortmund den Kläger mit Schreiben vom 29.11.2018 darauf hingewiesen, dass es sich nicht für zuständig halte, weil sich der Unfall im Bezirk des Amtsgerichts Münster ereignet habe und der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten in Dortmund und Köln begründet sei (Bl. 5 f. d.A.). Den Beklagten wurde eine Abschrift dieses Schreibens zugestellt, nicht dagegen die Klageschrift.
Der Kläger hat daraufhin mit Antrag vom 05.12.2018 die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Münster beantragt (Bl. 9 d.A.). Der Antrag ist am 07.12.2018 beim Amtsgericht Dortmund eingegangen.
Ohne Anhörung der Beklagten hat es daraufhin mit Beschluss vom 07.12.2018 die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Münster beschlossen (Bl. 10 f. d.A.). Es sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig, insbesondere da der Ort der unerlaubten Handlung nicht im Bezirk des Amtsgericht Dortmund, sondern im Bezirk des Amtsgerichts Münster liege.
Das Amtsgericht Münster hat sich nach Eingang der Akte bei ihm für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht zur Entscheidung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt (Bl. 13 f. d.A.). Der Verweisungsbeschluss sei nicht bindend. Das Amtsgericht Dortmund sei jedenfalls für die Klage gegen den Beklagten zu 1) zuständig, dessen allgemeinen Gerichtsstand sich in Dortmund befinde. Dass daneben noch der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung begründet sei, stehe dem nicht entgegen, da der Kläger von seinem Wahlrecht gem. § 35 ZPO durch Erhebung der Klage beim Amtsgericht Dortmund abschließend und unwiderruflich Gebrauch gemacht habe. Zudem dürfe eine Verweisung des Rechtsstreits gem. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht vor Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgen. Schließlich hätte nahegelegen, auch im Hinblick auf die Beklagte zu 2) von einer örtlichen Zuständigkeit auszugehen, und zwar gem. § 21 Abs. 1 ZPO, da diese aller Wahrscheinlichkeit nach eine Niederlassung im Bezirk des Amtsgerichts Dortmund unterhalte.
II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen derzeit nicht vor.
1. Eine solche kann nur erfolgen, nachdem sich verschiedene Gerichte "rechtskräftig" für unzuständig erklärt haben. Solche Unzuständigkeitserklärungen durch klageabweisendes Prozessurteil oder Verweisungsbeschluss erfordern grundsätzlich, dass die Streitsache rechtshängig und nicht bloß anhängig ist (stRspr, vgl. BGH, Beschl. v. 05.03.1980 - IV ARZ 8/80 - NJW 1980, 1281; Senat, Beschl. v. 22.04.2016 - 32 SA 26/16 - juris, Rn. 6). Nur in besonderen prozessualen Fallgestaltungen ist eine Gerichtsstandbestimmung auch vor Eintritt der Rechtshängigkeit ausnahmsweise zulässig. Dies wird beispielsweise bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen Mahngerichten angenommen oder wenn sonst unter Berücksichtigung der konkreten verfahrensrechtlichen Situation zu erwarten ist, dass ein Kompetenzkonflikt besteht, der in absehbarer Zeit nicht beigelegt wird (vgl. Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 36 ZPO Rn. 28; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 36 Rn. 26, jew. m.w.N.). In diesen Fällen ist den Grundsätzen der Verfahrensbeschleunigung und Prozesswirtschaftlichkeit Vorrang zu gewähren, die sämtlichen Verfahrensarten des § 36 Abs. 1 ZPO immanent sind.
2. Gemessen an diesen Maßstäben ist vorliegend kein Raum für eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Die Akte enthält keinen Zustellungsnachweis und keinen Anhaltspunkt dafür, dass eines der beteiligten Amtsgerichte eine Zustellung veranlasst hat. Das Amtsgericht Dortmund hat lediglich veranlasst, dass den Beklagten eine Abschrift des Schreibens mit dem Hinweis an den Kläger vom 29.11.2018 zugestellt wird (vgl. Bl. 5 d.A.). Das Amtsgericht Münster hat seinen Vorlagebeschluss vom 18.12.2018 formlos an die Parteien übermittelt. Die Abschriften der Klageschrift liegen noch lose i...