Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 30.09.2019; Aktenzeichen 62 Ds-65 Js 394/19 - 252/19) |
Tenor
- Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Essen zurückverwiesen.
- Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Essen hat den Angeklagten mit Urteil vom 30.09.2019 (Az. 62 Ds-65 Js 394/19 - 252/19) des Erschleichens von Leistungen schuldig gesprochen. Zugleich hat es ihn verwarnt und die Teilnahme des Angeklagten an dem nächsten Gesprächskursus für Ssche Jugendliche nach Weisung der Jugengerichtshilfe angewiesen sowie mit einem Freizeitarrest belegt.
Zur Person des 18jährigen Angeklagten hat es festgestellt, dass über den Angeklagten nicht viel bekannt sei, da er den Termin bei der Jugendgerichtshilfe nicht wahrgenommen und Fragen nach seinem Werdegang nur zögerlich beantwortet habe. Der Angeklagte sei in C geboren und lebe mit seiner Familie seit vier Jahren in Deutschland. Der Vater habe selbständig ein Gewerbe angemeldet und arbeite beim Bau. Der Angeklagte könne etwas lesen, ob er schreiben könne sei unklar. Er spreche etwas deutsch, sei aber auf einen Dolmetscher für die Ssche Sprache angewiesen. Er sei arbeitssuchend, helfe aber auch seinem Vater. Ferner trage er Sorge dafür, dass seine Geschwister die Schule besuchen und hole diese davon ab. Am 10.09.2019 habe das Amtsgericht Essen ein Verfahren wegen Erschleichens von Leistungen eingestellt und den Angeklagten ermahnt.
Zur Sache hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte am 00.06.2019 gegen 00.00 Uhr den Zug ##0 von C Hbf nach F Hbf ohne gültigen Fahrausweis benutzt habe. Hierbei habe er von Anfang an vorgehabt, das Fahrgeld von 6,00 € nicht zu entrichten. Die Staatsanwaltschaft habe das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Die Feststellungen zur Sache hat das Amtsgericht auf das Geständnis des Angeklagten gestützt. Dieser habe zudem keine schlüssige Erklärung abgeben können, warum er bei Kauf des Hinfahrttickets nicht gleich das Rückfahrtticket mitgekauft habe.
Auf den Angeklagten als Heranwachsenden finde Jugendstrafrecht Anwendung, weil er ausweislich des nachvollziehbaren und überzeugenden Berichts der Jugendgerichtshilfe unter Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen Reifeverzögerungen aufweise, die ihn zum Zeitpunkt der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstellten, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG.
Zu seinen Gunsten spreche seine geständige Einlassung, der geringe Schuldcharakter der Tat, der geringe Schaden und die nachträgliche Entrichtung des erhöhten Beförderungsentgelts. Gegen ihn sei jedoch zu werten, dass er in der Hauptverhandlung am 10.09.2018 auf die Strafbarkeit des Verhaltens ausdrücklich hingewiesen worden sei. Da er sich diesen Hinweis nicht als Warnung habe dienen lassen, sei zu befürchten, dass sich gleichartiges delinquentes Verhalten bei dem Angeklagten verfestigt habe. Neben Verwarnung und Teilnahme am Gesprächskursus sei er wegen der einschlägigen Vortrag mit einem Freizeitarrest zu belegen.
Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündete Urteil hat der Angeklagte mit dem am 01.10.2019 per Fax beim Amtsgericht Essen eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsmittel eingelegt. Das Urteil ist dem Angeklagten und seinem Verteidiger jeweils am 15.10.2019 zugestellt worden.
Mit weiterem Schriftsatz vom 17.10.2019, eingegangen beim Amtsgericht Essen am 21.10.2019, hat der Angeklagte bzw. sein Verteidiger mitgeteilt, dass das Rechtsmittel als (Sprung-)Revision durchgeführt werden soll und beantragt, das angefochtene Urteil mitsamt den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. Zur Begründung der Revision hat der Angeklagte die Sachrüge erhoben und näher dazu ausgeführt, dass das Urteil nicht der erweiterten Begründungspflicht aus § 54 JGG gerecht werde. Da das Amtsgericht selbst festgestellt habe, dass "über den Angeklagten (...) nicht viel bekannt" sei, hätte sich die Vernehmung seiner Verwandten aufgedrängt. Zudem habe das Landgericht den Vorsatz des Angeklagten nicht daraus herleiten dürfen, dass dieser keine schlüssige Erklärung dafür habe abgeben können, dass er ein Rückfahrtticket bei Erwerb des Hinfahrttickets nicht gleich mitgekauft habe. Schließlich habe nicht strafschärfend gewertet werden dürfen, dass der Angeklagte die Tat trotz des Hinweises auf die Strafbarkeit des Verhaltens begangen habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Antragsschrift vom 12.12.2019 beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
1.
Die nach §§ 335 Abs. 1, 312 StPO i.V.m. § 55 JGG statthafte und auch im Übrigen zulässige (Sprung-) Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - jedenfall...