Leitsatz (amtlich)

1. Eine aufhebbare Ehe entfaltet bis zu ihrer Auflösung grundsätzlich alle Rechtswirkungen einer Ehe im güter-, unterhalts-, erbrechtlichen sowie namensrechtlichen Sinne (vgl. nur BeckOK BGB/Hahn, 61. Ed. 01.02.2022, § 1313 Rn. 7; MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2022, § 1313 Rn. 9). Der Anwendbarkeit des § 1361 BGB steht daher nicht entgegen, dass die Ehe aufgehoben worden ist.

2. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt wird nicht durch § 1318 Abs. 2 BGB modifiziert. § 1318 Abs. 2 BGB enthält gerade keine Regelung zum Trennungsunterhalt.

3. Ein Elternteil kann in Verfahrensbeistandschaft gem. § 1629 BGB auch dann Kindesunterhalt geltend machen, wenn die Ehe später aufgehoben worden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1313, 1318 Abs. 2, § 1579 Nrn. 2-5, 7-8, § 1629

 

Verfahrensgang

AG Essen-Borbeck (Aktenzeichen 12 F 78/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 8.000 Euro (Trennungsunterhalt 5.084 Euro, Kindesunterhalt A 969 Euro, Kindesunterhalt B 952,86 Euro) festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin begehrt nach Aufhebung ihrer mit dem Antragsgegner geschlossenen Ehe die Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt. Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Aus der am 00.00.2010 zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe sind die Kinder A, geb. am 00.00.2010, und B, geb. am 00.00.2013, hervorgegangen. Die endgültige Trennung der Beteiligten erfolgte am 01.07.2015 innerhalb der Ehewohnung, aus der der Antragsgegner am 13.12.2015 dann auszog. Die Kinder verblieben bei der Antragstellerin.

Für den Antragsgegner war es die dritte Ehe, nachdem er zuvor Frau C, geb. D, am 00.00.1993 auf Z geheiratet hatte und die in 1998 geschlossene Ehe mit Frau E, aus der die am 00.00.1999 geborene Tochter F hervorgegangen ist, im Jahre 2002 geschieden worden war.

Die auf Z geschlossene Ehe ist vom Antragsgegner bewusst nicht im Personenstandsregister angemeldet und erst im Jahre 2020 geschieden worden.

Der im Juni 2016 vom Antragsgegner im Verfahren 12 F 128/16 AG Essen-Borbeck eingereichte Scheidungsantrag ist, nachdem die Doppelehe bekannt geworden war, nicht mehr beschieden worden. Vielmehr hat das Familiengericht auf Antrag der Antragstellerin am 22.02.2019 einen seit dem 26.03.2019 rechtskräftigen Eheaufhebungsbeschluss erlassen.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten um Trennungsunterhalt ab März 2017, nachdem dieser vom Antragsgegner nur bis Februar 2017 gezahlt worden ist, und Kindesunterhalt ab Januar 2017, wobei der Antragsgegner den Mindestunterhalt anerkannt hat.

Die Fragen, ob der Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt und zu höherem Kindesunterhalt verpflichtet ist, sind zwischen den Beteiligten streitig. Insbesondere ist umstritten, ob eine im Februar 2017 nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses als (..) vor dem Arbeitsgericht Aachen mit dem früheren Arbeitgeber des Antragsgegners vergleichsweise vereinbarte Abfindung von 69.000,00 EUR brutto unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Ferner, ob die Antragstellerin, die als (..) teilschichtig in der (..) ihres Vaters angestellt und daneben noch selbständig tätig ist, zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet ist. Zudem, ob ein etwaiger Trennungsunterhaltsanspruch wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft sowie aufgrund diverser Verhaltensweisen der Antragstellerin (Strafanzeigen, widersprüchlicher Vortrag im Verfahren etc.) verwirkt ist.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung nebst Wiedergabe der Anträge im angegriffenen Beschluss Bezug genommen.

Das Familiengericht hat - nach Beweisaufnahme zur Kenntnis von der Doppelehe im Scheidungsverfahren - mit am 11.09.2020 verkündeten Beschluss den Unterhaltsansprüchen überwiegend und in wechselnder Höhe entsprochen und den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt sowie zur Zahlung von Trennungsunterhalt - diesen allerdings nur bis zum Zeitpunkt der Aufhebung der Ehe - verpflichtet. Dabei hat es die Abfindung mit ihrem Nettobetrag bei der Ermittlung der Unterhaltsansprüche berücksichtigt und eine Verwirkung des Trennungsunterhaltsanspruchs verneint.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den am 18.09.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 16.10.2020 eingegangenen Beschwerde, die er nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 18.12.2020 mit am 14.12.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Er ist der Ansicht, da die Ehe aufgehoben worden sei, bestehe kein Anspruch auf Trennungsunterhalt, weil § 1361 BGB eine rechtswirksam geschlossene Ehe voraussetze.

Jedenfalls aber sei der Rechtsgedanke des § 1318 Abs. 2 heranzuziehen. Hierzu behauptet er, die Antragstellerin habe bereits vor der Eheschließung davon gewusst, dass er noch verheiratet gewesen sei, was sich insbesondere aus ih...

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