Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschreitung des Sicherheitsabstands. Abstandsverstoß. Mindestdauer. Mindestlänge
Leitsatz (amtlich)
Ein bußgeldrechtliche Ahndung wegen einer Abstandsunterschreitung - i.S. eines "nicht nur vorübergehenden Verstoßes" - ist jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140m betragen hat.
Normenkette
StVO § 4; BKatV § 49
Verfahrensgang
AG Unna (Aktenzeichen 171 OWi 62/13) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Betroffene einen PKW auf der BAB 1. Bei Kilometer 327,700 wurde im Rahmen einer polizeilichen Verkehrsüberwachung mit dem System Vidit Typ VKS 3.0 Version 3.1. für sein Fahrzeug bei einer (nach Abzug eines Toleranzwertes von 5 km/h) Geschwindigkeit von 131 km/h ein Abstand von nur 26 m zum vorausfahrenden Fahrzeug ermittelt. Die Messstrecke betrug rund 123 m. Die Messstelle war so eingerichtet, dass eine Strecke von insgesamt 500m übersehen werden konnte. Das Amtsgericht hat ausgeschlossen, dass ein anderes Fahrzeug vor dem Betroffenen eingeschert war.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er meint, die Rechtsbeschwerde sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, um die Mindestlänge bzw. die Mindestdauer der Abstandsunterschreitung obergerichtlich zu klären.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde war - jeweils durch Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Berichterstatters RiOLG Q - zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern nach § 80a Abs. 3 OWiG zur Entscheidung zu übertragen. Die Zulassung ist zur Fortbildung des Rechts geboten, um die für eine bußgeldrechtliche Ahndung nach §§ 4, 49 StVO notwendige Dauer bzw. Länge einer Abstandsunterschreitung näher zu konkretisieren. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil ansonsten schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung fortbestehen würden. So hat das AG Lüdinghausen mit Urteil vom 28.01.2013 (19 OWi 216/12 - [...]) für eine Ahndung eine Abstandsunterschreitung auf einer Fahrstrecke von mindestens 150 m, ja sogar eher noch von 250 bis 300 m für erforderlich erachtet. Im angefochtenen Urteil wird hingegen die deutlich geringere, den Mindestabstand unterschreitende, Fahrstrecke von 123 m für ausreichend erachtet.
III.
Die - auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1.
Die Rügeanforderungen gemäß der §§ 80 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO sieht der Senat noch als erfüllt an. Es wurde zwar nicht ausdrücklich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben. Jedoch geht aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Zulassungsantrages noch hinreichend hervor, dass der Betroffene sich dagegen wenden will, dass das Amtsgericht hier eine Abstandsunterschreitung auf weniger als 150 m Fahrstrecke für die Bejahung des Verkehrsverstoßes hat ausreichen lassen.
2.
Das angefochtene Urteil weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.
Insbesondere ist die Annahme des Amtsgerichts, dass eine Abstandsunterschreitung auf einer Messstrecke von 123 m den Bußgeldtatbestand nach §§ 4, 49 StVO i.V.m. Nr. 12.6.2. der Tabelle 2 der BKatV erfülle, wenn der vorwerfbare Verstoß mindestens 3 Sekunden angedauert hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wie auch der Obergerichte erforderlich, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend ist. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Situationen geben kann, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte (OLG Hamm NZV 1994, 120; OLG Koblenz, Beschl. v. 02.05.2002 - 1 Ss 75/02 = BeckRS 2002, 30257446; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.07.2007 - 1 Ss 197/07 = BeckRS 2008, 08770; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 Rdn. 22).
Wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt, wird in der Rechtsprechung der Obergerichte unterschiedlich beurteilt. Einige Gerichte halten eine...