Leitsatz (amtlich)
1.
Zur genügenden Entschuldigung i.S. von § 329 Abs. 1 StPO.
2.
Die Verfahrensrüge, die sich darauf stützt, dass die Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen worden ist, obwohl in der Hauptverhandlung der Angeklagte in zulässiger Weise vertreten worden ist, ist nur dann ausreichend begründet, wenn vorgetragen worden ist, dass der Verteidiger den Angeklagten auch hat vertreten wollen.
Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 12.07.2005) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 12. Juli 2005 wird auf seine Kosten verworfen.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. Juli 2005 wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Das Verfahren gegen den Angeklagten ist durch einen Strafbefehl eingeleitet worden. Das Amtsgericht hat den Angeklagten, nachdem dieser gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Einspruch eingelegt hatte, mit Urteil vom 19. August 2004 wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Dagegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Diese ist vom Landgericht mit dem angefochtenen Urteil gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen worden. Dagegen wendet sich der Angeklagte nun noch mit seinem Wiedereinsetzungsantrag und der Revision. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsmittel zu verwerfen.
II.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihre Anträge wie folgt begründet:
"a)
Die gem. § 46 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung macht der Angeklagte erneut geltend, er sei durch seinen Pflichtverteidiger in der Hauptverhandlung wirksam vertreten worden. Da der Angeklagte damit sein Wiedereinsetzungsgesuch auf den der Strafkammer bereits bekannten, von dieser in ihrem Urteil verwerteten und als zur Entschuldigung nicht geeignet angesehenen Umstand der fehlenden schriftlichen Vollmacht des Pflichtverteidigers stützt, und somit Entschuldigungsgründe, die der Kammer nicht bekannt waren, nicht vorträgt, kann sein Wiedereinsetzungsgesuch hierauf nicht gestützt werden (vgl. OLG Düsseldorf, VRS 79, 139, 140 m. w. N.).
Gründe dafür, dass der Angeklagte selbst genügend entschuldigt war, sind in dem Wiedereinsetzungsantrag nicht vorgetragen, insbesondere wird die im Hauptverhandlungstermin geltend gemachte Verhandlungsunfähigkeit wegen Krankheit nicht mehr ausgeführt.
b)
Die mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorsorglich eingelegte Revision ist gem. § 342 Abs. 2 StPO statthaft. Mit endgültiger Erledigung des Antrages auf Wiedereinsetzung ist eine Entscheidung des Senats über die Revision auch veranlasst (§ 342 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Obwohl der Angeklagte nicht ausdrücklich die Sach- oder Verfahrensrüge erhebt, genügt die Revision noch den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO, da sich aus dem Vorbringen des Angeklagten in dem Schriftsatz seines Verteidigers vom 27.07.2005 hinreichend deutlich ergibt, dass der Angeklagte für den Fall der Verwerfung seines Wiedereinsetzungsantrages eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO rügt. Ein solcher Verstoß gegen § 329 StPO ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen, da es sich bei der Verwerfung durch Urteil gem. § 329 Abs. 1 StPO um einen rein verfahrensrechtlichen Vorgang handelt (vgl. OLG Köln, NJW 2001, 1223, 1226 m. w. N.). Mit einer solchen Verfahrensrüge kann nur geltend gemacht werden, dass das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt oder seine Aufklärungspflicht verletzt hat, wo hingegen nachträgliches Entschuldigungsvorbringen - revisionsrechtlich - unbeachtlich ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Auflage, Rdnr. 46 ff.). An die den behaupteten Verfahrensmangel enthaltenen Tatsachen werden keine hohen Anforderungen gestellt. Es reicht aus, wenn ausgeführt wird, das Berufungsgericht habe das Ausbleiben des Angeklagten nicht als unentschuldigt ansehen dürfen (vgl. OLG Köln, StV 1989, 53). Vorliegen ergibt sich aus dem Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten vom 27.07.2005, dass dieser geltend macht, durch seinen Pflichtverteidiger wirksam vertreten worden zu sein. Diese Ansicht geht indes fehl. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften der §§ 409 - 412 StPO. Gem. § 411 Abs. 2 StPO, der auch im Berufungsverfahren Anwendung findet (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 411 Nr. 4), konnte demnach der Angeklagte in der Hauptverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten werden. Die wirksame Vertretung setzt jedoch grundsätzlich eine schriftliche Vertretungsvollmacht voraus. Dies gilt auch für den Pflichtverteidiger (vgl. Senatsentscheidung vom 16.05.1995 - 2 Ss 427/95 ; Meyer-Goßner, a.a.O., § 411 Rdnr. 5). Eine solche Vollmacht wurde durch den im Hauptverhandlungstermin erschienenen Pflichtverteidiger jedoch nicht vorgelegt. Sie wurde auch zuvor...